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Die Elbe war sein Mississippi

Im Zeise-Kino und in der ARD-Mediathek wird Hark Bohms Klassiker „Nordsee ist Mordsee“ gezeigt. Der Jugendfilm von 1975 ist erstaunlich gut gealtert

„Nordsee ist Mordsee“, Vorführung in memoriam Uwe Bohm, Zeise-Kinos Hamburg, 17. 8., 21 Uhr;

bis 15. 11. auch in der ARD Mediathek​

Von Wilfried Hippen

„Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klau’n, und einfach abzuhau’n“, singt Udo Lindenberg über dem Abspann von „Nordsee ist Mordsee“. Und damit bringen er und der Regisseur Hark Bohm perfekt auf den Punkt, worum es bei diesem Jugendfilm aus dem Jahr 1975 geht. Zwei 14-jährige Jungs aus Hamburg-Wilhelmsburg büxen darin aus und schippern auf einer gekaperten Jolle die Elbe hinunter.

Der Hamburger Filmemacher Hark Bohm begann seine Karriere mit Jugendfilmen, und sein vierter (der erste war ein im Isartal gedrehter Western mit dem Titel „Tschetan, der Indianerjunge“) war sein größter Wurf. Im Internet kann man Postings von heute über 60-Jährigen lesen, die beschreiben, wie intensiv der Film damals auf Jugendliche wie sie gewirkt hat, und wie intensiv sie sich damals mit den beiden Protagonisten identifiziert haben. Natürlich ist der Plot bei Mark Twains „Huckleberry Finn“ geborgt, und Hark Bohm, der auf der Nordseeinsel Amrum aufwuchs, sagte einmal selbst: „Die Elbe ist mein Mississippi.“

Auch auf einer praktischen Ebene ist „Nordsee ist Mordsee“ wohl der persönlichste Film von Bohm. Die Hauptrollen spielten seine Adoptivsöhne Dschingis Bowakow und Uwe Bohm, und die beiden heißen dann im Film einfachheitshalber auch Dschingis und Uwe. Uwes Vater verkörpert Hark Bohms Bruder Marquart Bohm und die Mutter von Dschingis spielt dessen leibliche Mutter Katja Bowakow. Für Uwe Bohm war der Film der Beginn einer erfolgreichen Karriere als Schauspieler. Er starb am 8. April 2022 und ihm zu Ehren zeigen die Hamburger Zeise-Kinos heute noch einmal „Nordsee ist Mordsee“.

Für Uwe Bohm war der Film der Beginn einer erfolgreichen Karriere als Schauspieler.Er starb am 8. April 2022

Der Film ist auch deshalb gut gealtert, weil er das Lebensgefühl und das Milieu von Hamburger Jugendlichen in den 1970er-Jahren sehr realistisch und einfühlsam beschreibt. Uwe wird regelmäßig von seinem alkoholkranken Vater vermöbelt, Dschingis leidet dagegen unter seiner überbesorgten Mutter und wird als ­Migrantenkind von Uwe und dessen Kindergartengang gemobbt. Da fallen dann Worte, die heute in einem Text wie diesem nur noch mit wenigen Buchstaben und vielen Pünktchen zitiert werden könnten, aber genau dies macht den authentisch dreckigen Grundton des Films aus.Und da der Film fast nur aus Außenaufnahmen besteht, die in Wilhelmsburg sowie auf der Elbe gedreht wurden, hat er auch eine beachtlichen dokumentarischen Wert, denn so sieht es in Hamburg und Umgebung schon längst nicht mehr aus.

Und Udo Lindenberg? Der hatte 1975 schon seinen größten Hit „Alles klar auf der Andrea Doria“ hinter sich und im Kinderzimmer von Uwe hängt dann auch ein großes Poster von ihm. Aber er war noch kein Superstar und residierte noch nicht in seiner Hotelfestung „Atlantic“. So konnte Hark Bohm einfach an seiner Wohnungstür klingeln und ihm den Rohschnitt des Films zeigen. Der gefiel Udo und er produzierte die Filmmusik, die dann viel zum Kultstatus von „Nordsee ist Mordsee“ beitrug.

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