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Klimawandel im Weißen Haus

Der US-Senat hat ein milliardenschweres Klima- und Sozialpaket beschlossen. Dieses soll komplett durch eine Anhebung der Steuern für Superreiche finanziert werden. Trotzdem greift einigen das Gesetz zu kurz

Spuren der Trockenheit am Lake Mead in der Nähe von Las Vegas: Ein ehemals versunkenes Boot ist wieder zu sehen Foto: John Locher/ap

Aus Washington D.C. Dorothea Hahn

Selbst im Endspurt, nachdem auch die beiden skeptischen Demokraten Joe Manchin und Kyrsten Sy­nema ihre Zustimmung als Gegenleistung für massive Zugeständnisse erklärt hatten, sorgten die Republikaner noch mit Verfahrenstricks für 16 Stunden Verzögerungen. Am Sonntagabend stimmten sämtliche Mitglieder der konservativen Partei im US-Senat geschlossen gegen die Klima- und Steuerreform. Das historische Gesetz, das den schwerfälligen Namen „Inflationsverringerungsgesetz“ trägt, kam nur dank US-Vizepräsidentin Kamala Harris zustande. Ihre Stimme war die nötige letzte für das 51-gegen-50-Votum im Senat. Am Freitag wird das Abgeordnetenhaus über das Gesetz abstimmen. Falls es, wie erwartet, Ja sagt, kann Joe Biden das Gesetz noch vor Monatsende unterschreiben. Als „historisch“ gefeiert hat der US-Präsident es bereits am Sonntagabend.

„Es wird Amerika für Jahrzehnte verändern“, sagte auch der sichtlich erleichterte demokratische Vorsitzende des Senats Chuck Schumer am Sonntagabend in die Kameras, „und es wird einen Unterschied für meine Enkel machen.“ Der New Yorker Senator Schumer hatte bis zuletzt den Gesprächskanal zu den beiden Demokraten vom rechten Rand, Manchin aus West Virginia und Sinema aus Arizona, offen gehalten. Manchin, der das Gesetz noch vor Wochen kippen wollte, bekam als „Gegenleistung“ für sein Yes unter anderem eine Ölpipeline für seinen Bundesstaat West Virginia sowie die Aussicht auf weitere Öl- und Gasförderlizenzen. Sinema, die als Allerletzte auf die Linie ihrer Partei umschwenkte, bekam unter anderem den Verzicht auf eine Anhebung der Spekulationssteuer für Hedgefondsmanager auf 36 Prozent.

Selbst der linke Senator aus Vermont und ehemalige Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders stimmte dem Gesetz zu. Noch wenige Tage zuvor hatte er versucht, einige der ursprünglich im Gesetz vorgesehenen sozialen Reformen zu retten – darunter Kindergeld, Beihilfen zur zahn- und augenmedizinischen Versorgung von Armen, die Streichung von Studienschulden, allgemeine Obergrenzen für verschreibungspflichtige Medikamente – darunter Insulin – und die Gründung eines „Zivilen Klimakorps“ auszuhandeln.

Nachdem der „Green New Deal“, den Linke in den USA vorgeschlagen haben, gescheitert ist, sieht das Inflationsverringerungsgesetz Reformen für das nächste Jahrzehnt vor. Sie funktionieren nach dem Prinzip von Belohnungen für klimakorrektes Verhalten in Form von Steuernachlässen. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher werden davon profitieren.

„Es wird Amerika für Jahrzehnte verändern“

Chuck Schumer, Vorsitzender des Senats

Das Gesetz hat einen Gesamtwert von knapp 740 Milliarden Dollar. Davon sollen 375 Milliarden in das Klima investiert werden. Der Rest geht in den Schuldenabbau sowie die Gesundheitsversorgung. Die im Gesetz vorgesehenen Strategien zur Bekämpfung der Klimakrise sollen in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Sie gehen – als Steuernachlässe – an Käufer und Hersteller von Elektroautos. Nutzen haben werden auch die Hersteller von angeblich sauberen Energien, die mit Wind und Sonne und mit Atomkraft erzeugt werden. Bis ins Jahr 2030 sollen damit die CO2-Abgaben der USA, die weltweit die größten sind, um 40 Prozent gesenkt werden.

Andere Investitionen aus dem Gesetz gehen in die Gesundheitsversorgung von Rentnern und in Beihilfen für Familien. Trotz der Größenordnung des Gesetzes sollen dem Staat keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Finanzierung kommt komplett aus einer Anhebung der Steuern für Superreiche. Großkonzerne in den USA, von denen viele bislang überhaupt keine Unternehmensteuern zahlen, müssen künftig eine Mindeststeuer von 15 Prozent entrichten. Mit diesen Steueranhebungen erwarten die Senatoren in den nächsten zehn Jahren 740 Milliarden Dollar Einnahmen. Davon sollen 300 Milliarden zur Senkung des Defizits der USA verwendet werden. Haushalte mit Einnahmen unter 400.000 Dollar im Jahr bekommen keine Steuererhöhungen.

Die Republikaner, die das Gesetz verhindern wollten, warnen jetzt vor zusätzlichen Inflationseffekten des Gesetzes. Die linken Demokraten, die ein anderes und umfangreicheres Gesetz wollten, reagieren mit gedämpftem Optimismus. Eine Sprecherin der jungen Klimaorganisation Sunrise Movement, die sich für einen Green New Deal eingesetzt hat, sagte am Sonntagabend: „Dieses Gesetz ist nicht, was unsere Generation verdient. Aber es ist alles, was wir bekommen können.“