: Zu Unrecht vergessen
MUSIK-REKONSTRUKTION Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern erinnern dieses Jahr unter anderem mit einer rekonstruierten Orchesterfassung ihres Hauptwerks an die vor 200 Jahren geborene Mecklenburger Komponistin Emilie Mayer
VON ROBERT MATTHIES
Am Beginn stand eigentlich nur das Gefühl, der eigenen regionalen Musikgeschichte verpflichtet zu sein: Anlässlich des 200. Geburtstages Emilie Mayers beschloss die Neubrandenburger Philharmonie vor zwei Jahren, sich dieses Jahr eingehend mit der im mecklenburgischen Friedland geborenen Komponistin zu beschäftigen. Eine verdienstvolle Auseinandersetzung mit einer nahezu Unbekannten, denn die Werke der Ratsapothekertochter, der zu Lebzeiten in der männerdominierten Musikwelt immerhin die Bezeichnung „weiblicher Beethoven“ zugestanden wurde, gerieten schon bald nach ihrem Tod im April 1883 wieder weitgehend in Vergessenheit. Erhalten sind heute nur noch wenige Kompositionen aus ihrem umfangreichen, Lieder, Konzertouvertüren, Sinfonien, Kammermusik- und Klavierstücke umfassenden Werk, erst seit einigen Jahren werden die nicht selten nur handschriftlich überlieferten Partituren allmählich wiederentdeckt und rekonstruiert.
Im Laufe der Zeit aber wich das Pflichtbewusstsein wachsendem Interesse und Respekt vor der unbefangenen Eigenständigkeit, mit der Mayer ans Werk ging, den mitunter ganz unüblichen Harmonien und unerwarteten Wendungen, die ihren Stücken einen ganz eigenen Charme verleihen. Ende August nun steht der Höhepunkt des musikalischen Wiederbelebungsprojektes an: Im Rahmen der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern präsentiert die Neubrandenburger Philharmonie in der Rostocker Neptun-Werfthalle 207 die von ihrem Generalmusikdirektor Stefan Malzew erarbeitete Orchesterfassung der h-Moll-Sinfonie, von der nur eine Bearbeitung für zwei Klaviere überliefert ist, dazu stehen Mayers Faust-Ouvertüre und ihr Konzert B-Dur für Klavier und Orchester auf dem Programm.
Gefeiert wird die fast vergessene Jubilarin außerdem mit sechs weiteren Konzerten: Ende Juni gratuliert etwa das Ensemble des Konzerthausorchesters Berlin in der Orangerie des Rosenparks von Groß Siemen mit Kammermusik Mayers und Werken von Clara Wieck-Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy – der übrigens nicht müde wurde, seiner Schwester Fanny zu verkünden, dass Frauen nicht komponieren sollten. Dass Emilie Mayer nicht nur eine bemerkenswerte Komponistin, sondern auch darüber hinaus eine bemerkenswerte Frau war, kann man dann Anfang Juli im Pferdestall des Stolper Gutshauses lernen: Als eine der ersten Frauen führte sie in Berlin einen Salon, dessen besondere Atmosphäre eine Rezitation von Briefen der Komponistin und Quellen über ihr Leben wiederaufleben lassen soll, dazu gibt es zahlreiche ihrer Kompositionen mit Sebastian Küchler-Blessing an Orgel und Klavier, dem Tenor Simon Bode und Isang Enders am Violoncello zu hören.
Unerhörtes gibt es auch bei der dritten Ausgabe des Carnegie-Hall-Projekts des Künstlerischen Leiters Daniel Hope Mitte Juni im Greifswalder Dom zu hören. Der Nachwuchs der New Yorker Academy hat sich dieses Jahr gemeinsam mit dem Concertino Ensemble Rostock verfemter Komponisten angenommen, die von den Nationalsozialisten ermordet oder ins Exil getrieben wurden oder Ziel antisemitischer Hetze waren. Auf dem Programm stehen Werke von Pavel Haas, Erwin Schulhoff und Gideon Klein und Felix Mendelssohn Bartholdy.
■ Mecklenburg-Vorpommern: Sa, 9. 6. bis Januar 2013 , diverse Spielorte, www.festspiele-mv.de