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Mit unwiderstehlicher Wärme und Noblesse

Armin Mueller-Stahl kommt nach Hamburg und stellt den Film vor, der ihm von allen, in denen er gespielt hat, am liebsten ist: „Utz“ von George Sluizer. Zu sehen ist er in der zweitägigen Hommage auch in „Lola“ und „Bittere Ernte“: in Rollen, die für den heute 91-Jährigen eine Herausforderung waren

Eigensinnig mit einem radikalen Sinn für Schönheit: Armin Mueller-Stahl als obsessiver Sammler Meissner Porzellans in „Utz“ Foto: Viva films/Sluizer films

Von Wilfried Hippen

Er ist der deutsche Schauspieler mit der längsten und international erfolgreichsten Karriere: Armin Mueller-Stahl spielte zwischen 1956 und 2015 in über 80 Filmen – unter Meisterregisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Constantin Costa Gavras, Jim Jarmusch, David Cronenberg und Terrence Malick. Da ist es dann schon eine Ansage, wenn er einen dieser Filme als seinen Lieblingsfilm bezeichnet. Und es macht neugierig, wenn dies eben nicht einer seiner Erfolgsfilme wie „Music Box“, „Night on Earth“, „Shine“ oder „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ ist, sondern ein kleiner Arthouse-Film, der inzwischen so gut wie vergessen ist.

Mit „Utz“ von George Sluizer gewann Mueller-Stahl zwar im Jahr 1992 auf der Berlinale den silbernen Bären, aber die britisch-deutsche Co-Produktion über einen verschrobenen tschechischen Porzellansammler, die auf einem Roman von Bruce Chatwin beruht, wurde kein Klassiker, sondern blieb ein Geheimtipp unter Cineast*innen.

Der Hamburger Filmproduzent Albert Schwinges hatte damals als Herstellungsleiter an „Utz“ mitgearbeitet. Im Jahr 2020 wollte er den 90. Geburtstag von Armin Mueller-Stahl mit einer feierlichen Aufführung des Films feiern. Aber wegen Corona war dies unmöglich. Nun wurde die Einladung nachgeholt. Diesen Mittwoch wird Armin Mueller-Stahl im Hamburger Metropolis-Kino zu Gast sein, wenn dort „Utz“ endlich wieder einmal auf einer großen Leinwand zu sehen sein wird. Im Filmarchiv des Metropolis gebe es eine „schöne 35-mm-Kopie der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln, sagt Kurator Nils Daniel Peiler.

„Utz“ wurde kein Klassiker, sondernblieb ein Geheimtipp unter Ci­ne­as­t*in­nen

Am Tag darauf wird die Hommage mit zwei Filmen weitergeführt, die Mueller-Stahl sich wünscht, weil sie für ihn „Herausforderungen“ gewesen seien: „Lola“ von Rainer Werner Fassbinder und „Bittere Ernte“ von Agnieszka Holland. In „Lola“, einem sehr frei interpretierten Remake von Marlene Dietrichs Debütfilm „Der Blaue Engel“, spielt Mueller-Stahl einen aufrechten, kleinen Beamten in der Bundesrepublik der 1950er -Jahre, der der Prostituierten Lola verfällt und schließlich so korrupt wird wie alle anderen.

In „Bittere Ernte“ ist Mueller-Stahl wiederum ein Bauer im Oberschlesien des Jahres 1943, der einer Jüdin auf seinem Hof Unterschlupf gewährt, aber auch ein Kriegsgewinnler ist und ihre Notlage sexuell ausnutzt. Beide Filmfiguren sind zuerst Sympathieträger, die im Laufe der Filme immer mehr zu Tätern werden. Dieses moralische Schlingern wird Mueller-Stahl so gereizt haben.

In „Utz“ spielt er dagegen einen exzentrischen, ungebrochenen Helden: Sein Baron Kaspar Joachim von Utz ist ein Schlawiner, der sich als dekadenter Bourgeois bei den Stalinisten in der Tschechoslowakei der Nachkriegszeit durchschummelt. Gegen die Verführungen des totalitären Systems ist er immun, weil er eine Obsession hat, die alles andere überstrahlt: Er ist ein besessener Sammler von Meissner Porzellan. In seiner schäbigen Prager Zweizimmerwohnung hat er einen riesigen Schatz aus Tellern, Tassen, Terrinen und Figurinen gehortet.

Bruce Chatwins kleiner, nur 170 Seiten langer Roman feiert diesen eigensinnigen Ästheten mit seinem radikalen Sinn für Schönheit und Mueller-Stahl spielt ihn mit einer unwiderstehlichen Wärme und Noblesse, die den Film zu einer kongenialen Adaption werden lassen.

Heute arbeitet Armin Mueller-Stahl noch immer als Zeichner: original kolorierte Zeichnung zum Film „Utz“ Foto: Armin Mueller-Stahl

Der niederländische Regisseur George Sluizer hatte im Jahr 1988 mit seinem Thriller „Spurlos verschwunden („Spoorloos“) einen der verstörendsten Thriller des modernen Kinos inszeniert. Bevor er fünf Jahre später in Hollywood das enttäuschende Remake „The Vanishing“ mit Jeff Bridges, Kiefer Sutherland, Sandra Bullock und einem alles verderbenden Happy End drehte, hatte er noch ein letztes Mal in seiner Karriere die Chance, einen Film genau so zu konzipieren und zu drehen, wie er es wollte. Und so wurde „Utz“ sein zweites und letztes Meisterwerk.

Armin Mueller-Stahl lebt in einem kleinen Dorf an der Ostsee. Er arbeitet immer noch als Zeichner und Maler und hat gerade vor ein paar Wochen eine große Ausstellung seiner Werke in Lübeck eröffnet.

„Armin Mueller-Stahl … kommt!“: Mi, 3. 8., 19 Uhr: „Utz“, im Anschluss Gespräch mit Mueller-Stahl und Albert Schwinges; Do, 4. 8., 19 Uhr: „Lola“, 21.15 Uhr: „Bittere Ernte“; Metropolis-Kino, Hamburg

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