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berliner szenenBürgeramt Berlin, Teil eins

Im Frühjahr hatte ich mich mehrere Tage lang online um einen Termin beim Bürgeramt bemüht für einen neuen Reisepass. Schließlich hatte ich Glück: 1. Juni, 13.24 Uhr, büronah. Schon Ende Mai habe ich vorfreudig Passfotos machen lassen. Die Buchungsbestätigung kam per E-Mail. Wie modern das alles ist, wie reibungslos das funktioniert. Und das in Berlin!

Dann ist es so weit. Das Bürgeramt in der Klosterstraße ist hochmodern. Kein Vergleich mit dem Rathaus Pankow, wo ich sonst hingehe. Aber hey, wir sind in Mitte! Am Eingang neben der schicken Glastür steht ein Securitymann. „Wo wollen Sie denn hin?“, fragt er freundlich. „Äh, ins Bürgeramt“, sage ich. Dann brauche er meine Terminbestätigung. Ich zeige sie vor. Er weist mir den Weg. „Bis zur nächsten Glastür, dann mit dem Fahrstuhl in den ersten Stock.“ Alles ist neu, gläsern, sauber, modern. Als ich vorschriftsmäßig meine Hände desinfiziere, fragt ein anderer Securitymann: „Haben Sie einen Termin? Dann bräuchte ich bitte Ihre Bestätigung.“

Ich nehme im hellen Warteraum Platz. Pünktlich vier Minuten vor meinem Termin. Doch dann ist Schluss, nichts bewegt sich mehr auf der Anzeigentafel. Plötzlich fühlt sich alles an wie immer. Eine alte Dame beschwert sich: „Warum vergeben Sie Termine für die Mittagspause, wenn dann alle Mitarbeiter beim Essen sind?“ Um mich herum maulende Erwachsene, quengelnde Kinder. Nach vierzig Minuten bin ich endlich dran. „Am 20. Juli können Sie Ihren Pass abholen. Passt Ihnen 9.36 Uhr?“, fragt die Amtsdame. Ich nicke ergeben, dann rutscht mir heraus: „Aber 9.37 Uhr würde mir einen Ticken besser passen“. Sie starrt mich an. Sie findet das nicht witzig.

Kurz darauf stehe ich wieder im gläsernen Fahrstuhl. Dort hängt ein Plakat mit QR-Code: „Bewerten Sie Ihr Bürgeramt.“ Nun ja.

Gaby Coldewey

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