brief des tages:
Bildungsziel „Selektion“?
„Mehr Begeisterung, bitte! Literatur im Schulunterricht“, taz vom 6. 7. 22
Der Artikel hat mich sofort angesprochen, weil auch meine Erfahrungen darin vorkommen. Ich habe erst wieder nach dem Abitur Bücher gelesen, neben dem Mathematik- und Pädagogikstudium.
Faust kann fast niemand im Schulalter verstehen, dazu fehlt einfach die Lebenserfahrung. Ich habe den Eindruck, aufs Verstehen kommt es auch nicht an. Dort lernen wir, wie wir trotz Nichtverstehens mithilfe von Sekundärliteratur dennoch passable Noten bekommen. Man nennt das auch bulimisches Lernen –erst alles in sich reinfressen und dann bei Prüfungen und Schulaufgaben wieder auskotzen.
Ich war lange Lehrer für Mathematik, Pädagogik und Informatik am Gymnasium. In Mathematik in der 7. Klasse mit abstrakten Termen zu operieren, versteht in der Klasse auch nur ein kleiner Teil. Es entwickelt sich spätestens dann ein Hass auf Mathematik oder die Ansicht, für Mathe einfach zu doof zu sein. SchülerInnen in der 5. Klasse sind oft noch begeisterungsfähig, aber Schule ist eine Institution, die es zum Ziel hat, Leute zu selektieren. Alle hehren Bildungsziele sind Fassade. Rainer Mundhenke, Nürnberg
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