: Mit Liste und Tücke nach Berlin
Kampfkandidaturen um Spitzenplätze auf der SPD-Landesliste zur Bundestagswahl: Vorstand sucht Kompromisse, um Hauen und Stechen auf Parteitag heute zu verhindern
Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt vom Hamburger SPD-Vorstand um Parteichef Mathias Petersen. Denn die Gefahr ist groß, sich die Finger zu verbrennen bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagsneuwahlen. Gestern Abend versuchte die SPD-Führung, Kompromisse zu finden, um auf dem heutigen Parteitag das präsentieren zu können, was Politiker für so wichtig halten: Geschlossenheit. Doch „einer wird auf jeden Fall sauer sein“, prognostiziert skeptisch ein prominenter Genosse, und viele Signale aus der Partei deuten darauf hin, dass dies Hans-Ulrich Klose sein wird. Es werde „keinen Streit geben“, versichert Petersen, „aber wohl offenen Wettbewerb“.
Der Alt-Bürgermeister beansprucht den Spitzenplatz, den er bei der Wahl vor drei Jahren bereits innehatte, wegen besonders langer Volksvertreterei erneut für sich. Seit 1983 schon sitzt er ununterbrochen im Bundestag, und er hat große Chancen, sein Direktmandat im Wahlkreis Harburg-Bergedorf zu verteidigen. Kloses Ticket nach Berlin gilt als sicher, sein Rückhalt an der Basis aber bröckelte in jüngster Zeit. Viele Genossen hätten es gerne gesehen, wenn der 68-Jährige einem Jüngeren Platz gemacht hätte.
Zudem stehen mit Ex-Bürgermeister Ortwin Runde (61), seit 2002 Bundestagsabgeordneter und Direktkandidat in Wandsbek, und dem ehemaligen Landesvorsitzenden Olaf Scholz (47), seit 1998 als Direktkandidat Altonas im Bundestag, zwei Sozialdemokraten bereit, die sich selbst ebenfalls für Spitze halten. Der Landesvorstand werde, so die übereinstimmende Prognose dreier Spitzengenossen, vorab keine gütliche Einigung erzielen.
Runde als Spitzenkandidat, Scholz auf Platz 3 und Klose auf Rang 5 lautet das favorisierte Szenario, dazwischen auf den geraden Plätzen zwei Frauen: Dorothee Stapelfeldt (48) und Dorothee Bittscheid (62). Dahinter folgen dann die Neulinge Christian Carstensen und Niels Annen (beide 32), die in den Wahlkreisen Nord und Eimsbüttel erstmals direkt um WählerInnenstimmen für Berlin kämpfen. Johannes Kahrs, der sein Direktmandat im Kreis Mitte ebenfalls sicher hat, verzichtet demnach auf einen Listenplatz. Der außerhalb seiner eigenen Basis in der SPD wenig geliebte 41-jährige Rechtsausleger will sich die Schmach ersparen, auf dem Parteitag nach hinten durchgereicht zu werden.
Teil zwei des Szenarios aber sagt voraus, dass Klose seine Rückstufung nicht akzeptiert und auf dem Parteitag gegen Runde antritt. Bei einer Niederlage, so munkeln parteiinterne Auguren, „wird Uli wohl rausrauschen und die Liste Liste sein lassen“. Würde er aber gewinnen, werde Runde wiederum Scholz Rang 3 streitig machen: Für gute Unterhaltung im Bürgerhaus Wilhelmsburg ist heute Abend gesorgt. Sven-Michael Veit