doppelblind: Irgendwie nicht tödliches Hummelgift
Eigentlich soll Glyphosat keine negativen Effekte auf Insekten haben. Es ist ein Krautvernichter, das ein Enzym angreift, das es in Insekten und anderen Tieren nicht gibt. Trotzdem gibt es seit einiger Zeit Studien, die Auswirkungen auf die Europäische Honigbiene nachweisen. Wildbienen wie Hummeln sind dagegen weitgehend unerforscht, obwohl sie mindestens ebenso wichtig für die Bestäubung landwirtschaftlicher Flächen sind. Anhand 15 Kolonien der Dunklen Erdhummel haben Forscher*innen nun herausgefunden, dass Glyphosat unter idealen Bedingungen Hummeln nicht schadet – aber sobald das Futter knapp wird, pflanzen sie sich unter Glyphosateinfluss schlechter fort und suchen seltener nach Nahrung. Ihre Studie erschien im Fachmagazin Science.
Die Forscher*innen haben die Kolonien jeweils geteilt und einer Hälfte Zuckerwasser mit und einer ohne Glyphosat gegeben. Die Hummeln, die Glyphosat getrunken haben, starben knapp zwei Tage früher als ihre Artgenossinnen. Bei einer Lebenserwartung von 32 Tagen bezeichnen die Wissenschaftler*innen das als „nicht tödlich“. Die wichtigere Erkenntnis ist ihnen zufolge, dass die Hummeln bei knappen Ressourcen und Glyphosatkonsum die Temperatur in ihren Nestern nicht mehr so gut regulieren können. Dadurch stirbt ihre Brut eher und wird später geboren. Niedrige Temperaturen im Nest sorgen außerdem dafür, dass die Hummeln anfälliger für Krankheiten und Parasiten sind. Warum Glyphosat diesen Effekt hat, haben die Forscher*innen nicht untersucht.
Der Insektenforscher James Crall spekuliert, dass die Chemikalie vielleicht Bakterien innerhalb der Hummel tötet. Crall war an der Studie nicht beteiligt, hat aber einen Kommentar dazu in der gleichen Science-Ausgabe geschrieben.
Normalerweise, so die Studienautor*innen, werden die Effekte von Pflanzenschutzmitteln unter Idealbedingungen im Labor untersucht. Dabei wäre überhaupt nicht aufgefallen, dass die Hummeln bei leeren Honiglagern ganz anders auf Glyphosat reagieren als gut versorgt im Labor. Crall kritisiert in seinem Kommentar, dass Pflanzenschutzmittel nur daraufhin untersucht werden, ob sie Tiere töten und kurzfristige Effekte haben. Wie sie langfristig Ökosysteme beeinflussen, ist bei der Zulassung meist unbekannt. Herbi- und Pestizide sollten deswegen seltener und präziser eingesetzt werden.
Ein Gutes haben die Erkenntnisse der Studie jedoch, schreibt er: Weil ausreichend Nahrung offenbar gegen die Effekte von Glyphosat hilft, können Landwirt*innen als Gegenmaßnahme mehr natürliche Lebensräume in ihre Felder integrieren, um die Hummeln zu entlasten. Jonas Waack
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen