: Blau-gelbe Freiheit im Untergeschoss
Performative Ukraine-Solidarität, gut abgehangene Coronapositionen und ein bisschen Streit gab es auf dem Parteitag der Hamburger FDP
Von Alexander Diehl
Manches schreibt sich ja beinahe von selbst: „Hamburgs FDP ganz unten“, zum Beispiel. 23 Stockwerke hoch ragt das Emporio-Haus, die ehemalige Europazentrale des Unilever-Konzerns, über die Hamburger Neustadt. Was böten sich für Ausblicke aus über 90 Metern? Wo aber hielten die Freien Demokraten am Samstag ihren 115. Landesparteitag ab: im „Großen Saal“ im zweiten Untergeschoss.
Dass man deswegen nicht isoliert sei, ignorant gegenüber dem Weltgeschehen, gerade auch dem unerfreulichen: Das zu betonen, war erkennbar wichtig. „Die Kraft der Freiheit“, im FDP-Zusammenhang nicht eben ein frisches Motto, war die Zusammenkunft überschrieben und ebenso die Rede von Landesparteichef Michael Kruse, werktags Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Kruse hatte zuletzt vor allem Aufsehen erregt durch eine angekündigte Klage: dagegen, dass Hamburgs rot-grüne Regierung die Stadt pauschal zum Coronahotspot erklärte. Medienöffentlich Einspruch erhob dagegen dann wiederum Carl Cevin-Key Coste, rechtspolitischer Sprecher der Partei und bis vor ziemlich genau einer Woche Chef der örtlichen Jungen Liberalen. Einer Rechtsstaatspartei unwürdig nannte er die juristische – in seinen Augen – PR-Maßnahme; sollte Kruse klagen, dann als Privatperson, nicht im Namen der ganzen Partei.
Teils merkwürdig verdruckst kam die Sache am Samstag zur Sprache, auch wenn Costes Dringlichkeitsantrag nicht auf der Tagesordnung stand. Kruse mahnte, es dürften nicht „einzelne Personen ihr Ego und ihre Befindlichkeiten über die Interessen unserer Partei stellen“. Coste erneuerte seinen Appell, nicht absehbar „erfolglos“ den Rechtsweg zu beschreiten, ja: solches Klagen gegen Coronamaßnahmen doch einfach der AfD zu überlassen. Dafür gab es dann sogar ein paar Buhrufe.
Demonstration von Geschlossenheit
Überhaupt: Zumindest den rund 200 in Präsenz Teilnehmenden – der Parteitag wurde coronakonform hybrid abgehalten – waren „Außendarstellung“ (Kruse) und das Demonstrieren von Geschlossenheit mindestens so wichtig wie die ungleich größeren Fragen: Als Ehrengast hielt die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka eine kurze, emotionale Rede. Auch Kruse beschwor, Russlands Angriff sei einer auf uns alle und, ja: die Freiheit, im Foyer wurden blau-gelbe Papierfähnchen verteilt und Buttons fürs Anzugsakko.
Zu „Hamburgs Antwort auf den Ukrainekrieg“ verabschiedete die – dort vorerst ja nicht regierende – Partei einen Leitantrag. Darin ist unter anderem die Rede von menschenwürdiger Unterbringung Geflüchteter und der erleichterten Anerkennung ukrainischer Berufsabschlüsse, aber etwa auch einer Stärkung des heimischen Zivilschutzes: Hamburg als Handelsstadt sei doch potenziell ein Angriffsziel.
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