: Illegalim Museum
Die Berliner Museen haben ein Kapitel der Herkunft ihrer Antikensammlung aufgearbeitet
Christina Haak, Generaldirektorin der Staatlichen Museen
Die Berliner Antikensammlung der Staatlichen Museen enthält zahlreiche, vor mehr als 100 Jahren illegal von der Mittelmeer-Insel Samos eingeführte Objekte. Darunter sind auch einige antike Meisterwerke, wie die stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen, Christina Haak, in Berlin bei der Vorstellung aktueller Ergebnisse der Provenienzforschung am Montag mitteilte.
Mit der griechischen Seite gebe es bereits erste Gespräche. Es sei noch zu früh, über eine Rückgabe oder Forschungs- und Ausstellungskooperationen zu sprechen, sagte Haak. Klar sei aber: „Damaliges Unrecht ist auch mehr als 100 Jahre später noch Unrecht.“ Anlass war die Vorstellung eines neuen Bandes der „Schriften zur Geschichte der Berliner Museen“, in dem drei Aufsätze über offizielle Fundteilung, heimliche Ausfuhren von Antiken und geplatzte Kreditgeschäfte zwischen dem Osmanischen Reich und dem deutschen Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges berichten.
Samos in der östlichen Ägäis erlebte seine Blütezeit im 7. bis 6. Jahrhundert vor Christus. Archäologisch bedeutend sind vor allem die antike Stadt mit der einst weltberühmten Wasserleitung des Eupalinos und das westlich davon gelegene Heraion. Es gehört zu den bekanntesten antiken Heiligtümern.
Mit Blick auf Grabungen der Königlichen Museen zu Berlin auf der Insel Samos zwischen 1910 und 1914 bestehe der Verdacht, dass etwa 250 Gegenstände „inoffiziell“ nach Berlin gekommen seien, sagte der stellvertretende Direktor der Antikensammlung Berlin, Martin Maischberger. Für rund ein Dutzend Objekte könne sogar mit Sicherheit gesagt werden, dass diese damals das bis 1912 weitgehend unabhängige Fürstentum Samos „illegal verlassen“ haben.
Auf einem offiziellen Fundteilungsabkommen zwischen den Königlichen Museen Berlin und dem Fürsten von Samos, Andreas Kopases, seien nur rund 20 Gegenstände aufgeführt gewesen, so Maischberger. Bei den archäologischen Fundstücken geht es unter anderem um Prachtstatuen, etwa der Ornithe von der Geneleos-Gruppe oder der sogenannten Cheramyes-Kore, sowie um kleine Bronzestatuetten, Tonstatuetten, Keramik und Architekturteile etwa des berühmten Hera-Tempels auf Samos.
Nach den unter deutscher Leitung gestarteten Grabungen 1875 in Olympia auf dem Peloponnes, gefolgt von Ausgrabungen unter anderem in Pergamon (1878) und Milet (1899), gelten die Grabungen auf Samos als eine der letzten unter Mitwirkung der damals Königlichen Museen vor dem Ersten Weltkrieg.
Die bisherige Forschung zeige, so Maischberger, dass insbesondere die Hauptakteure aufseiten der Berliner Museen deutlich kritischer bewertet werden müssten als bisher. Darauf lasse etwa der Briefwechsel zwischen Theodor Wiegand (1864–1936), auswärtiger Direktor der Berliner Museen in Konstantinopel und späterer Leiter der Antikenabteilung der Museen in Berlin, und seinem Mitarbeiter und Ausgrabungsleiter auf Samos, Martin Schede (1883–1947), schließen.
Verschickt an private Adressen
So sollen Fundstücke direkt von der Ausgrabung auf deutsche Marineschiffe oder zivile Schiffe gebracht worden sein. Kleinere Fundstücke seien an private Adressen von Museumsmitarbeitern in Berlin geschickt worden, die zur Verschwiegenheit verpflichtet wurden. Erschwert werde die Provenienzforschung unter anderem durch die Verlagerung von Aktenbeständen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau.
Der neue Aufsatzband sei Auftakt zu umfassenderen systematischen Erforschungen der Provenienzen der archäologischen Sammlungen der Staatlichen Museen, sagten Haak und Maischberger. Zudem gebe es Ideen für eine sammlungsübergreifende Ausstellung zu deren Ergebnissen in der James-Simon-Galerie. (epd)
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