: Leben mit demUnausweichlichen
Extremwetterereignisse treiben Kleinbauern in Ghana auf der Suche nach einem neuen Auskommen in die Städte
Aus Accra, GhanaJamila Akweley Okertchiri
Süßkartoffeln und Maniok baut Kwadwo Kyeremeh seit vielen Jahren an. Die stärkehaltigen Wurzeln sind Grundnahrungsmittel in der Bono-Region im Westen Ghanas. Doch Kyeremehs Arbeit wird immer schwieriger. „Das Wetter hat sich stark verändert“, sagt er. Die Abfolge von Trocken- und Regenzeiten sei nicht mehr dieselbe. Sie ist aber wichtig, um den Anbau zu planen. Das bringe die Landwirte in eine schwierige Lage. „Die Landwirtschaft ist zu einem Glücksspiel geworden“, sagt Kyeremeh.
Zu viel Wasser ist dabei genauso zu einem Problem geworden wie zu wenig: „In diesem Jahr hat es stark geregnet, unsere Pflanzen standen unter Wasser, der Boden war durchnässt, so dass es unmöglich war, unsere Ernte einzufahren“, sagt er. In den Vorjahren hingegen habe es überhaupt nicht geregnet. Die Regen- und Trockenzeiten, die sich eigentlich verlässlich abwechseln, sind unkalkulierbar geworden. Einst fiel der erste Regen des Jahres im Februar und zog sich bis in den März hinein. Mittlerweile fällt der erste Regen teils erst Ende März, aber nicht regelmäßig.
Der vierzigjährige Kyeremeh überlegt nun, ob er sich seinem Freund Amadu Ali anschließen soll. Der hat die Landwirtschaft aufgegeben, um sich in der Hauptstadt Accra nach Jobs umzusehen „Wenn ich nach Accra gehe, ist mir ein gewisses Einkommen garantiert“, glaubt Kyeremeh.Der Klimawandel stellt Ghana vor enorme Herausforderungen. Auch wenn der Anteil seit 2009 um fast 20 Prozente zurückgegangen ist, lebten 2019 noch immer rund 30 Prozent aller Haushalte von der Landwirtschaft. Regenfeldbau ist dabei eine der wichtigsten Wirtschaftsweisen – und anfällig gegen Störungen des Ökosystems. Das Unvermögen, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen, hat in Teilen Ghanas zu Ernteausfällen, Armut und Abwanderung geführt. Mehr als zuvor zieht es Menschen heute vom Land in die Städte. 2020 wies Ghana unter allen westafrikanischen Staaten den mit Abstand höchsten Verstädterungsgrad auf: 57 Prozent aller Einwohner:innen leben bereits in Städten.
Amadu Ali, der Freund von Kyeremeh, gehört dazu. Er zog 2019 in die Hauptstadt Accra, nachdem sein Land durch Überschwemmungen zerstört worden war. „Ich habe alles verloren“, sagt er. „Also beschloss ich, nach Accra zu ziehen.“ Dort gehe es ihm nicht besonders gut. „Aber ich kann mit meiner Arbeit auf dem Markt etwas Geld sparen, das ich meiner Familie schicke.“
Wenn Menschen wie Ali durch den Klimawandel gezwungen sind, die Landwirtschaft aufzugeben, sind sie einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Ihnen fehlt oft soziale Unterstützung, aber auch Rücklagen. „Sie haben kein Kapital, das ihnen in der Not helfen könnte“, sagt Professor Joseph Teye, Direktor des Zentrums für Migrationsstudien an der Universität von Ghana. Deshalb müsse die Anpassung an den Klimawandel schon heute Bevölkerungsgruppen schützen, die bereits die Auswirkungen spüren. Die Abwanderung vom Land müsse so organisiert werden, dass die Familien in der Stadt Einnahmequellen finden können.
Kwadwo Kyeremeh, Kleinbauer
Gleichzeitig müssen Landwirte bei der Einführung von Anpassungsstrategien wie Bewässerung, Düngemittel und „intelligenter Landwirtschaft“ unterstützt werden, sagt Teye. „Statt die Menschen davon abzuhalten, aus ökologisch geschädigten Gebieten abzuwandern, müssten die Entscheidungsträger Programme entwickeln, um sicherzustellen, dass von der Migration sowohl die betroffenen Haushalte als auch die Entsendegebiete und Zielorte profitieren.“ Eine enorme Aufgabe.
Die Regierung hat 2016 die „Nationale Migrationspolitik“ (NMP) beschlossen. Die befasst sich auch mit Binnenmigration und dem Klimawandel und sollte dafür sorgen, dass Menschen wie Amadu Ali eine Perspektive bekommen. Doch wie ein Report der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus dem Jahr 2021 zeigt, wurde die NMP längst nicht vollständig umgesetzt.
Die dafür vorgesehene „Nationale Migrationskommission“ etwa ist noch immer nicht eingerichtet. Das hat auch mit dem Gebaren der europäischen Finanziers zu tun. Ghanaische Beamte hätten die Initiative grundsätzlich begrüßt, „beklagten aber, dass sie bei der Umsetzung umgangen wurden – von der Gestaltung der Konsultationsprozesse bis hin zur Beschäftigung von internationalem Personal zur Steuerung der Arbeit“, so die SWP. „Die Kritiker weisen darauf hin, dass der NMP im Wesentlichen von internationalen und europäischen Akteuren, die in Ghana tätig sind, mitgestaltet wurde.“ Dieser Mangel an Eigenverantwortung sei auch in anderen westafrikanischen Ländern der 2016 gestarteten EU-„Migrationspartnerschaften“ zu beobachten.
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