schon gehört?
: Erzählungen einer Epidemie

Die Podcastszene boomt. Gefühlt kommen täglich neue Formate auf den Markt. Wer behält da den Überblick? Wir helfen

Das MuCEM ist das Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers, sehr chic liegt es am Meeressaum von Marseille. Und es zeigt aktuell eine Ausstellung zur kulturellen und politischen Geschichte der Aidsepidemie. Auch die begleitende Podcastreihe hierzu ist vorbildlich – wenngleich leider bisher nur auf Französisch zu hören.

Anfänglich war die Aidsepidemie, die in den achtziger Jahren, wesentlich aus den USA sich in die Welt verbreitete, charakterisiert durch zwei Elemente. Erstens wurde sie als Infektionskrankheit von homosexuellen Männern und Nadeldrogenkonsumenten wahrgenommen. Damit einhergehend zweitens wesentlich als „Schwulenkrebs“ missachtet und die Erkrankten stigmatisiert.

Überall im freien, westlichen Europa beflügelte dies – wenngleich aus schierer Not – die Schwulenbewegungen, um sich gegen die kollektive Zuschreibung als zu meidende und isolierende Sex-Virenschleudern zu wehren – es galt, und dies gelang, gesundheitspolitische Forderungen zu formulieren, überhaupt als Erkrankte und damals fast garantiert noch akut Sterbende nicht ausgegrenzt zu sein. Besonders in Frankreich erwuchs eine politische Gesundheitsbewegung von der Graswurzel aus, dokumentiert in dem ergreifenden Spielfilm „120 BPM“.

Die Ausstellung im Marseiller MuCEM läuft noch bis zum bis zum 2. Mai, Titel: „VIH/sida, l’épidémie n’est pas finie“, zu Deutsch: „HIV/Aids, die Epidemie ist nicht vorbei“. Fundamental für die Recherchen war Christoph Broquas 2006 fertig verfasste Arbeit Agir pour ne pas mourir: Act Up, les homosexuels et le sida“ – „Handeln, um nicht zu sterben: Act Up, die Homosexuellen und Aids“.

Für alle, die Französisch verstehen oder es sich nacherzählen lassen wollen, ist die fünfteilige begleitende Podcastreihe zu empfehlen, die das Museum mit den Ku­ra­to­r*in­nen hat erarbeiten lassen. Verfügbar sind bislang zwei Folgen. Dieser Podcast wird durch eine Fülle von Originaltönen gespeist und dadurch gesprächlich und lebendig. Für Nichtfranzösischverständige bleibt immerhin auf diese Tugend zu verweisen. Hoffentlich wird im deutschsprachigen Raum eine vergleichbar repräsentative Ausstellung ins Werk gesetzt, mit einer ebenso nachfühlbar gehaltenen Podcastreihe.

Jan Feddersen

„L‘épidemie n‘est pas finie“, auf der Webseite des MuCEM in Marseille: mucem.org