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Auf Klassenfahrt

Schulen oder Bundesländer unterhalten eigene Schullandheime. Auf Reisen soll das Miteinander geübt werden. In Niedersachsen dürfen Klassen nur alle zwei Jahre fahren

Das Schullandheim Puan Klent auf Sylt, zwischen Hörnum und Rantum in einem Naturschutzgebiet gelegen Foto: Foto:Christian Charisius /dpa

Von Joachim Göres

Elisa, Charlotte und Dora gehen auf die Sophienschule, ein Gymnasium in Hannover. Das hat seit fast 100 Jahren ein eigenes Schullandheim im knapp 50 Kilometer entfernten Hambühren. Die drei Jugendlichen sind dort schon häufiger gewesen – an der Sophienschule fahren alle 5., 6., 8. und 9. Klassen jeweils für eine Woche in ihr Schullandheim.

Die Mädchen und Jungen aus der 5. Klasse verbringen dort zum Beginn des Schuljahres eine Woche, um sich kennenzulernen. „Es gibt auf dem riesigen Freigelände viel Platz zum Spielen“, sagt Charlotte aus der 8. Klasse. „Ich habe ganz viele Erinnerungen, gerade von der ersten Fahrt, als wir ganz neu an der Schule waren und es auch Streit gab. So wächst man zusammen“, sagt Dora aus der 11. Klasse. Ihre Klassenkameradin Elisa findet: „Anfangs ist es schön, fast jedes Jahr an denselben Ort zu fahren. Jetzt in der Oberstufe freue ich mich auch auf andere Ziele wie unsere Klassenfahrt nach Berlin.“

Zehn Zimmer mit insgesamt 35 Betten hat das Schullandheim der Sophienschule. In einem großen Saal lernen, spielen, musizieren, tanzen und feiern die Kinder und Jugendlichen gemeinsam. „Wir müssen hier auf keine anderen Gruppen Rücksicht nehmen, das ist grandios“, sagt Philipp Hoffmeister, Lehrer für Sport und Geografie. Nach seinen Worten dürfen in Niedersachsen laut Erlass nur alle zwei Jahre Klassenfahrten stattfinden. „Wir haben ein eigenes Landheimcurriculum, Teile des Unterrichts finden hier statt. Dadurch können wir öfter fahren“, sagt Hoffmeister. In der 5. Klasse geht es im Schullandheim um die Stärkung des sozialen Miteinanders. Eine Klasse später stehen Themen wie „Wer lebt im Wald?“, „Wie tarnen sich Tiere?“ sowie Ausflüge mit Umweltpädagogen im Mittelpunkt. In den höheren Klassen werden Exkursionen zur Gedenkstätte Bergen-Belsen und nach Celle gemacht und ein Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Hoffmeister: „Alle finden es schade, wenn wir nach einer Woche aus Hambühren wieder weg müssen. Man merkt danach im Unterricht in Hannover, dass diese Zeit den Gruppenzusammenhalt gestärkt hat.“

Heiko Schmidt ist Vorsitzender des Schullandheim-Vereins. Er zählt 50 Mitglieder, meist Eltern von heutigen oder ehemaligen Schülern der Sophienschule. Die Mitglieder sind bei Arbeitseinsätzen gefragt, wenn es darum geht, das Gelände und das Haus in Ordnung zu halten. Schmidt freut sich, dass nach dem Verbot von Klassenfahrten das Schullandheim jetzt wieder regulär genutzt werden kann – bis Weihnachten sind alle Termine ausgebucht.

Dabei wird das Haus auch an andere Interessenten vermietet wie Konfirmandengruppen oder für Familienfeiern. „Unsere Auslastung liegt bei rund 80 Prozent, das ist besser als bei vielen Hotels“, sagt Schmidt. Eine Übernachtung inklusive Vollpension kostet für die Schüler 27 Euro – laut Schmidt für die Eltern kein Problem.

Knapp 260 Schullandheime sind Mitglied im Verband Deutscher Schullandheime, dazu kommen noch mal rund 100 Schullandheime, die in Landesverbänden in Bayern, Thüringen und Sachsen organisiert sind. „Einige werden nur für Klassenfahrten genutzt, andere können auch von Privatpersonen angemietet werden“, sagt Heiko Frost, Vorsitzender des Bundesverbandes aus Schafflund bei Flensburg. Er spricht von großen Unterschieden bei der Einrichtung, mit großen Schlafsälen für 15 Personen bis hin zu Einzel- und Doppelzimmern mit WC und Dusche auf dem Zimmer. In einigen Häusern ist Vollverpflegung Standard, in anderen bereiten Kinder und Jugendliche das Essen selbst zu.

„Heute ist man froh, wenn Klassen überhaupt noch fünf Tage wegfahren, früher waren auch zwei Wochen möglich. Es gibt dafür weniger finanzielle Förderung. Nicht wenige Lehrkräfte sind müde und machen keine Fahrten, weil sie kein Risiko eingehen wollen“, sagt Frost und fügt hinzu: „Dabei sind Aufenthalte in Schullandheimen oder in anderen außerschulischen Lernorten ideal, um die soziale Kompetenz der Schüler zu fördern und Theorie und Praxis in Fächern wie Biologie durch das Lernen in der Natur miteinander zu verbinden.“ Frosts Forderung: Die Bedeutung und Möglichkeiten von Klassenfahrten muss in der Lehrerausbildung viel stärker thematisiert werden.

Manche Schullandheime werden von einzelnen Schulen betrieben, andere gehören Kommunen – die Region Hannover besitzt Schullandheime im Harz, auf Föhr und bei Hameln, die von Klassen aus Hannover und Umgebung genutzt werden können. Meist sind es Kinder und Jugendliche aus Großstädten, die eine Woche in ein ländlich gelegenes Schullandheim fahren.

Hamburg hat 29 Schullandheime. Einige befinden sich am Stadtrand, die meisten sind aber weiter entfernt, zum Beispiel im Weserbergland, in der Lüneburger Heide oder an der Nord- und Ostsee. Die zehn Bremer Schullandheime sind dagegen schnell im niedersächsischen Umland zu erreichen.

Vergangene Woche machte die Arbeitsgemeinschaft Niedersächsischer Schullandheime darauf aufmerksam, dass das bis April verlängerte Schulfahrten-Verbot die Heime in Niedersachsen in finanzielle Bedrängnis bringen würde. Für Februar und März sei die Buchungslage wegen eines großen Nachholbedarfs ungewöhnlich gut gewesen. Jetzt hätten die Reisen storniert werden müssen.

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