piwik no script img

„Der Verrat tanzt“

Der Zusammenarbeit von Heiner Müller mit dem Bühnenbildner Erich Wonder spürt eine Ausstellung in der Akademie der Künste nach

Von Katrin Bettina Müller

Ausstellungen zum Theater sind ein undankbares Genre. Bühnenbilder, Requisiten, Kostüme können selten des Erlebnis auf der Bühne wachrufen. Fotografien und Videos führen da schon etwas weiter. Aber es bleibt ein mühseliges Unterfangen, das auf große Bereitschaft der Besucher, sich viel Zeit zu nehmen, angewiesen ist.

Dem entgeht auch nicht die Ausstellung „Erich Wonder. T/Raumbilder für Heiner Müller“, die in der Akademie der Künste der Arbeitsfreundschaft der beiden Künstler nachgehen will. Wonder hat für Müller als Bühnenbildner gearbeitet und mit ihm legendäre Inszenierungen geschaffen: Das begann 1982 mit Müllers Stück „Der Auftrag“ in Bochum, setzte sich im „Lohndrücker“ fort, für den Müller Wonder 1988 ans Deutsche Theater nach Ostberlin holte und kulminierte in „Hamlet/Hamletmaschine“, 1990, einer achtstündigen Inszenierung, die vor dem Echoraum des Endes der DDR eine eigene Wucht entfaltete.

Wer eine der Inszenierungen gesehen hat, für den springt in der Ausstellung sicher der Erinnerungsapparat an. Wer damit aber nicht vertraut ist, geht vom ersten Saal, in dem großformatige und mit leuchtenden Farben gemalte sehr expressive Bilder eine Art Hommage von Wonder an Heiner Müller darstellen, am besten zuerst in den letzten Raum, der Videoschnipsel ihrer gemeinsamen Arbeiten zeigt.

Erich Wonder, aus Österreich und westsozialisiert, gab das amerikanische Kino, das Licht der Stadt in der Nacht, als eine Quelle seiner Arbeiten an. Seine Zeichnungen in der Ausstellung sind oft auf dunklem Papier oder dunklem Karton, sparsam sind Lichtbahnen gesetzt, Farben leuchten. Die skizzierten Räume schneiden oft aus dem Bühnenganzen einen Ausschnitt heraus, als suchten sie nach einer Analogie für den filmischen Zoom.

Eine schwarzweiße Fotoserie von ihm aus den 1970ern gilt Frankfurt. „Damals war Frankfurt anders, brutaler, wie Klein-Chicago, heute ist es so schick. Wir zogen herum, lebten im Bahnhofsviertel und fuhren an den Stadtrand. Das war schon ein Erlebnis, diese Ästhetik in das Theater reinzuholen“, wird Wonder im Begleitheft zu der Ausstellung zitiert.

Bevor der „Lohndrücker“ 1988 am DT entstand, zog das Team zu Leseproben in die Hallen der VEB Roter Oktober, wo die Arbeiter und Aktivisten, von denen das Stück erzählt, in den 1950er Jahren um Normen, Löhne, Solidarität und Verrat gekämpft hatten. Kontaktabzüge von Sibylle Bergemann dokumentieren den Einzug der Schauspieler in die Werkhallen. Daneben hängen zwei große neue Fotografien von Holger Herschel, die die Halle 2008 als Ruinen zeigen. Damit wollte Stephan Suschke, Regisseur und Inszenator der Ausstellung, eben auch das Ankern der Theaterarbeit in den Zeitläufen skizzieren. Wie der Atem der Geschichte in die Inszenierungen hineinweht. Aber man muss sich das doch mehr hinzudenken.

Müller spricht. Aus mehreren kleinen Lautsprechern in den Ausstellungssälen verteilt ist seine Stimme mit Sätzen aus seinen Stücken und die von Schauspielern zu hören, die, was er nüchtern vorliest, mit Pathos und großer Expression wiederholen. „Der Verrat tanzt“, damit empfängt einen seine Stimme. Wie die dicken Farbschlieren auf Erich Wonders Bildern wirken die akustischen Fragmente der Schauspieler, die Müllers Sätze wiederholen, mit Emotionen überladen. Während Müllers Stimme selbst nie die Spur der Lakonie verlässt, des traurigen Beobachters vom fortgesetzten falschen Lauf der Geschichte. Langsam kann man sich eingrooven in diesen Sound und kommt den Motiven näher. Aber es bleibt Theatergeschichte, die sich erstaunlich schnell von unserer Gegenwart entfernt hat.

Akademie der Künste am Pariser Platz, bis 13. März

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen