Der OB hat gewählt

POSSE Kulturpolitik Leipzig: Der Regisseur Enrico Lübbe wird wohl neuer Intendant in Leipzig – ganz ohne Empfehlung der Findungskommission

Oberbürgermeister Jung hat in der Kulturpolitik erneut eine schlechte Figur gemacht

Wenn alles nach dem Wunsch von Burkhard Jung, Oberbürgermeister in Leipzig, läuft, hat das Schauspiel der Stadt, auch bekannt als Centraltheater, einen designierten Intendanten, der das Haus im nächsten Jahr von Sebastian Hartmann übernimmt. Dessen ästhetische Ideen haben ja beim Leipziger Publikum nie so richtig gezündet. Der Favorit von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ist dabei Enrico Lübbe, derzeit Schauspieldirektor am Theater Chemnitz. Der 37-Jährige war bereits unter dem Hartmann-Vorgänger Wolfgang Engel Hausregisseur in Leipzig. In seiner Kindheit spielte er zudem Alfons Zitterbacke in der gleichnamigen DDR-Fernsehserie.

Die anstehende Intendantenwahl fällt ins Aufgabengebiet von OB Jung, der dem Kulturbürgermeister Michael Faber die Kompetenz für Gewandhaus, Oper und Schauspiel schon länger entzogen hat. Zunächst sah alles gut aus. Eine Findungskommission, in der neben Vertretern der Stadt auch Intendantengrößen wie Frank Baumbauer und Wilfried Schulz saßen, sichtete die eingereichten 40 Konzepte und schlug drei Kandidaten vor. Auf Platz eins kam der Regisseur Volker Lösch. Der Knall kam, als Jung via Leipziger Volkszeitung verkündete, dass die Fachleute Enrico Lübbe vorgeschlagen hätten. Daraufhin stellte die Kommission in einer Erklärung klar, dass Lübbe ausdrücklich nicht empfohlen worden sei. „Lübbe stand nicht auf der Liste“, so ein Kommissionsmitglied gegenüber der taz. Einige hätten sich nicht einmal an seine Bewerbung erinnert, so wenig Eindruck habe sie gemacht. Das Verfahren wurde zur Posse.

Lübbes Konzept, das vom Leipziger Stadtmagazin Kreuzer online gestellt wurde, beschreibt auf knapp zwei Seiten ein „Literatur- und Schauspielertheater“, das „die Interessen der Leipziger erkennt und bedient – ohne sich anzubiedern“. Gemessen an den umstrittenen Theatervisionen eines Hartmann oder eines Lösch liest sich das wie ein ästhetisches Rollback. Aber vielleicht besänftigt Lübbe so tatsächlich das Leipziger Publikum, das ja unter Hartmann eher wegblieb. Mittlerweile regt sich über diese kulturpolitischen Irrgänge öffentlicher Unmut, wie zwei offene Briefe des Freundeskreises des Schauspiels und von Leipziger Dramaturgiestudenten zeigen. Ersterer kritisiert vor allem das Prozedere, während die Studenten ein gefälliges Theater ohne Risiken befürchten.

Rechtlich freilich ist die Stadt auf der sicheren Seite, da die Kommission lediglich beratende Funktion hat. Die endgültige Entscheidung fällt der Stadtrat. Dennoch bleibt ein Geschmäckle, zumal Lübbe sich von Anfang sehr offensiv um den Posten beworben hat. Wem das Ganze nun am meisten schadet, bleibt abzuwarten: Oberbürgermeister Jung hat in der Kulturpolitik erneut eine schlechte Figur gemacht, der neue Intendant Lübbe ist zumindest beschädigt und auch das Ansehen der Kulturstadt Leipzig dürfte zumindest in Fachkreisen nicht gestiegen sein.

Noch-Intendant Hartmann hat derweil für seine letzte Spielzeit ein großes Finale mit Faust, Festspielen und Hermann Nitsch angekündigt. Zudem sicherte er zu, mit einem Nachfolger kooperativ zusammenzuarbeiten. Wo die Politik unprofessionell agiert, muss es halt die Kunst ausgleichen. TORBEN IBS