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Dieunerträgliche Leichtigkeit der Dummheit

Woran erkennt man Dummheit? Und warum ist sie so groß? Die öster-reichische Psychiaterin Heidi Kastner geht ihr auf den Grund

Heidi Kastner: „Dummheit“. Kremayr & Scheriau, Wien 2021, 128 Seiten, 18 Euro

Von Lennart Laberenz

Wer dieses feine Büchlein liest, kann an einen Christian denken: 1976 in Thüringen geboren, lebt seit Langem in Berlin-Friedrichshain, etwas schluffig, man-bun, Vegetarier, früher hat er Die Linke gewählt, sich von einem Bauchleiden mit Selbsthilfeliteratur befreit.

Christian hat studiert, erzählt von Angstmache, Freiheitsbeschränkung, der „kleinen Grippe“. Er ist Impfgegner, hat Zahlen, die zeigen sollen: Gibt keine Übersterblichkeit. Die Covid-Toten? Herrje, jeder, der im Moment sterbe, werde darunter subsumiert. Das Wort „subsumiert“ verwendet Christian nicht, dafür das Wort „Göppelszeug“. Er meint den NS-Reichspropagandaminister, weiß aber nicht genau, wie man seinen Nachnamen schreibt.

Man kann an Christian denken, weil jeder jemanden wie Christian kennt. Sie haben, vielleicht, weil vom Bauchleiden befreit, da jetzt Platz für Gefühl. Und zwar gesundes. Das sagt, dass sie nicht an eine Pandemie glauben müssen, manche Mediziner täten das auch nicht.

Adelheid „Heidi“ Kastner, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in Österreich, hat ein Büchlein dagegen geschrieben. Es kommt in einem grünen Umschlag. Grün, Hoffnung. Die Monografie über Dummheit hat sie mit notwendigen Differenzierungen eingeleitet: Keineswegs will sie über Dummheit dozieren, um sich selbst zu überheben. Stellt aber fest, dass viele größeren Wissensmangel „nicht als problematisch erkennen“ und dem verbreiteten Irrtum aufsäßen, „sowieso von allem ausreichend Ahnung und damit ausreichend Beurteilungsgrundlage zu haben, um ohne weiteren Kenntniserwerb Sachverhalte treffend beurteilen zu können“. Klassisches Exerzierfeld all dieser Gewissheit: die Medizin.

Kastner entwickelt eine grobe Typologisierung der Dummheit, streift Faktenverweigerer, Ignoranten, Verschwörungstheoretiker: Man kann das als Eskalationstreppe lesen, als Klaviatur immer schrillerer Töne. Auch die Abgestumpften finden ihr schmales Kapitel.

Der Essay ist leichthändig, deutlich zu kurz, klingt manchmal nach ungläubigem Seufzen, mal wie Achselzucken: Mit Ignoranten haben Gespräche klare Grenzen

Dummheit ist kein Essay zu Covid, aber der Virus kristallisiert intellektuelle Beschränkung, die friedlich neben technischer, alltäglicher Intelligenz siedelt. Die Pandemie zeigt unsere Bereitschaft, Wundermitteln von Tante Tina zu glauben, uns kaum zu wundern, dass die Springerpresse Tatort-Schauspieler zu gewichtigen Stimmen promoviert.

Der Essay ist leichthändig, deutlich zu kurz, klingt manchmal nach ungläubigem Seufzen, mal wie Achselzucken: Mit Ignoranten haben Gespräche klare Grenzen. Und führt einen beruhigenden Gedanke ein, longue durée: Woher soll soziale Intelligenz denn kommen, Aufgeschlossenheit gegenüber Widersprüchen und Ambivalenzen, Mut zu dialektischem Denken, die Möglichkeit, sich selbst zu hinterfragen, wenn, so Kastner, „über ein Jahrtausend der einzig explizit zulässige Blick auf gesellschaftliche und weltanschauliche Themen von Kirche und Staat vorgegeben“ und es „mit einem hohen Risiko für die eigene soziale Stellung oder sogar das Leben verbunden“ war, „diese Vorgaben laut zu hinterfragen oder sich explizit dagegen zu positionieren“.

Wir müssen uns also die Christiane als solche vorstellen, die noch üben. Und sich grade, so schreibt einer, für „zu schlau“ halten, um sich von den medizinischen Studien aufhalten zu lassen. Kastner wird er nicht lesen. Er informiert sich vorrangig bei Telegram und Youtube.

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