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wortwechselNachhaltig fatal – die Atom-Strategie der EU

Die EU-Kommission adelt Atomkraft und Gas als klimafreundliche Finanzanlagen. Es gibt kein Morgen, keinen Atom-Müll, kein Methanbudget des Planeten? Wo lebt die EU-Lobby?

„Atomkraft? Nein danke! Viele glauben, dass uns nur Atomkraft vor dem Klimakollaps retten kann. Das ist Unfug. Atommeiler sind unsicher und zu teuer“, taz vom 31. 12. 21

Das Logo ist gelb

Vielleicht war der Super-GAU von Tschner­nobyl und Fukushima doch nicht so super-GAU-mäßig groß? Klimaneutralität hin oder her, die Atommeiler sollen bleiben und vielleicht sogar noch mehr von dieser „sauberen“ CO2-neutralen Energie liefern. Floskeln wie „zu risikoreich, zu unberechenbar, zu gefährlich und die Entsorgung ist weltweit ungelöst“ – was soll’s, egal und eh schon wurscht! Diese Wendehälse in der Ampel! Die FDP sieht das ganz ähnlich wie viele der (Atomkraft-)Staaten in der EU. Atomkraft ist gelb, das Logo der FDP ist gelb, mir dämmert da was!

Klaus P. Jaworek, Büchenbach

AKWs fressen Energie!

Wenn wir den enormen Energieverbrauch für Atomstrom in dessen Klimabilanz einrechnen, dann zeigt sich, dass es mit der angeblichen Nachhaltigkeit des Atomstroms nicht weit her ist: Der für den Uran-Tagebau in Arlit/Niger erforderliche Strom beispielsweise wird von einem großen Kohlekraftwerk produziert. Es zeigt sich auch bei den Transporten zu Land und zur See, im Rahmen der zahlreichen Verarbeitungsschritte bis hin zu den Brennelementen, schließlich Bau und bei der Einlagerung des strahlenden Abfalls. Winfrid Eisenberg, Herford

Endlager? Bitte in Brüssel

Prima! Dann ist also laut EU-Kommission und Macron Atomkraft nachhaltig.

Endlich bieten sich auf dieser Grundlage sichere Endlager für Atommüll in Brüssel und Paris an. Mal sehen, was Bevölkerung und Entscheider dann von einer solchen „Nachhaltigkeit“ halten!

Rainer Hummel, Köln

„Kein Ende in Sicht!“

„Drei AKWs zu Silvester abgeschaltet: Atomkraft kurz vor Schluss. In der Silvesternacht werden die Kraftwerke Grohnde, Gundremmingen und Brokdorf abgeschaltet. In einem Jahr sind die verbleibenden drei Anlagen dran“,

taz vom 31. 12. 21

Silvester machte ich mich auf den Weg nach Grohnde an der Weser, gemeinsam mit etwa 120 anderen feierten wir friedlich diesen Etappensieg beim lange erkämpften Atomausstieg. Ein älterer Teilnehmer erzählte von der Großdemo vom März 1977, die als „Schlacht von Grohn­de“ in die Geschichtsbücher einging. Grüne Politiker erinnerten an die Störfälle, die frappierende Kinderkrebsstudie. Auch die Schacht-Konrad-Aktiven aus Salzgitter nahmen teil, der Vorsitzende der Bürgerinitiative Atomfreies Dreiländereck, Dirk Wilhelm, warnte vor einem atomaren Dauerzwischenlager im nahen Würgassen. Aus einem mitgebrachten Musikgerät schallte das Lied „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen, das mich vor der Kulisse der zwei nun abkühlenden Kühltürme wirklich bewegte. Und als die letzte Strophe „Kein Ende in Sicht“ dieser Hymne ertönte, wurde mir die Anmaßung, die Hybris des Menschen angesichts einer für Millionen Jahre vererbten Strahlenlast für unsere Kindeskinderkinder deutlich. Trotz Abschaltung – kein Ende in Sicht. Arno Schelle, Fredelsloh

Die alte Verschwendung

„Die EU untergräbt ihr eigenes Ziel“,

taz vom 4. 1. 21

Ich hatte 12 Jahre in Luxemburg überwiegend französische Kollegen. Atomkraft ist Nationaleigenheit und Nationalstolz. Wer das als Deutscher kritisch anspricht, hat künftig eine schlechte Ausgangslage für weitere Gespräche. Elektrische Energie ist in Frankreich billig und wird auch entsprechend unökonomisch und verschwenderisch eingesetzt. Einfach gebaute, meist dünnwandige und somit schlecht isolierte Gebäude werden vielfach mit Strom direkt beheizt, sei es mit Radiatoren oder Speicherheizungen. Geduscht wird mittels elektrischer Durchlauferhitzer und Warmwasser entsprechend erzeugt.

Es gibt natürlich auch Gasheizungen, aber wo Gas nicht zur Verfügung steht, arbeitet die Kraft der Atome. Eine Nation, die gewohnt ist, mit Strom als hochwertiger Energieform verschwenderisch umzugehen, müsste ein komplett neues Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen. Ich sehe das ähnlich schwierig, wie einem Deutschen zu verdeutlichen, dass die derzeitigen Preise für Schweinefleisch zu Lasten von Gesundheit, Umwelt und Klima gehen und es so nicht bleiben kann.

Das Gewohnte ist international unsere größte (allzu menschliche) Hürde.

Harald Heinz, Ensdorf

Es gibt Alternativen!

Die Förderung für den Ausbau von „energieerzeugender Technik“ sollte sich nicht an den Befindlichkeiten der AKW-Lobby orientieren, sondern am tatsächlichen Strombedarf. Wir sollten uns darüber hinaus fragen, warum im Segment Photovoltaik immer noch völlig veraltete Technologie zu Wucherpreisen angepriesen wird. Peter Wasservogel, Wien

Zeit der Zy­ni­ke­r:in­nen

Wie zynisch muss man sein, um angesichts von Tschernobyl und Fukushima die Atomkraft zur grünen Energiequelle zu erklären?

Aber es stimmt ja: Rund um diese beiden Orte sind riesige naturbelassene Bioreservate entstanden! Menschenleer zwar, aber sonst mit hohem gentechnischem Veränderungspotenzial für Entwicklungen nach Darwin.

Und ja: Wenn noch zwei oder drei Kraftwerke in die Luft fliegen, könnte das reichen, um den Raubbrand im brasilianischen Regenwald flächenmäßig und klimatechnisch auszugleichen: In diesen Gebieten jedenfalls wird die nächsten paar hunderttausend Jahre niemand raubbrennen.

Erlauben Sie mir, die Zynik zu überhöhen: Allein die Fürze des Wachpersonals an den Endlagerstätten der Brennstäbe für die nächsten 2 Millionen Jahre werden mehr CO2 erzeugen, als fünf brasilianische Regenwälder ausgleichen könnten.

Michael Maresch, München

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