Nachfolge von Regula Lüscher: Architekten wollen mitreden

Wer wird Senatsbaudirektorin in Berlin? In einem offenen Brief fordern Fachleute und Aktivisten ein transparentes Verfahren.

Regula Lüscher

Regula Lüschers Schatten ist lang Foto: imago

BERLIN taz | Ein bisschen unkonkret ist es schon, was SPD, Grüne und Linkspartei zu Berlins kommender Großbaustelle in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben: „Für den Molkenmarkt streben wir eine kleinteilige Bebauung mit vielfältiger Nutzung und sehr guter Architektur an.“ Was aber ist das, „sehr gute Architektur“?

Vierzehn Jahre lang war Senatsbaudirektorin Regula Lüscher für Antworten auf Fragen wie diese zuständig. Unterstützt wurde die Schweizer Architektin dabei von ihrem Baukollegium, einem beratenden Gremium von Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Städtebau und Landschaftsarchitektur.

Als Lüscher am 31. Juli in den Ruhestand ging, hat Bausenator Sebastian Scheel (Linke) ihre Stelle nicht nachbesetzt. Ein fairer Akt, mit dem die Entscheidung über die künftige Architektur und den Städtebau in Berlin in die Hände der neuen Koalition gelegt werden sollte.

Offener Brief an Giffey

Am 21. Dezember will sich Franziska Giffey (SPD) vom Abgeordnetenhaus zur neuen Regierenden Bürgermeisterin wählen lassen. Ebenfalls offiziell ins Amt kommt damit ihr Kabinett, also die künftigen Senatorinnen und Senatoren. Allerdings müssen zuvor noch alle Partner in der künftigen rot-grün-roten Koalition den gemeinsam ausgehandelten Koalitionsvertrag beschließen.

Bei SPD und Grünen haben das bereits Parteitage getan. Bei den Linken läuft bis Freitag eine Urabstimmung unter den rund 8.000 Berliner Linken-Mitgliedern. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein – insbesondere das wohnungspolitische Kapitel im Koalitionsvertrag sorgt für Kritik. Linke und Grüne haben ihre künftigen SenatorInnen bereits vorgestellt. Die SPD noch nicht. (taz)

Inzwischen wollen aber auch andere bei der Personalie ein Wörtchen mitreden. In einem offenen Brief an die designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und den SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh fordern renommierte Architektinnen und Architekten, aber auch zahlreiche Stadtinitiativen ein transparentes Verfahren bei der Nachbesetzung der Nachfolge von Lüscher.

Wichtig sei es, so heißt es in dem Brief, „dass diese Position mit einer integrativen Persönlichkeit besetzt wird, die nicht nur über eine große fachliche Kompetenz verfügt, sondern die auch bei allen relevanten stadtpolitischen Akteuren und Parteien Anerkennung findet“. Unterzeichnet haben den Brief unter anderem der frühere Bauhauschef Philipp Oswalt, der Urban-Catalyst-Mitbegründer Klaus Overmeyer und die Initiative Stadtneudenken. Ähnliche Forderungen hatte vergangene Woche bereits die Berliner Architektenkammer erhoben.

Auch die Linkspartei unterstützt die Forderung. Nach der Ära Lüscher fürchtet die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Katalin Gennburg mit der Besetzung des Bauressorts durch die SPD einen möglichen Rollback nicht nur bei der Mietenpolitik, sondern auch im Städtebau. Gerade am Molkenmarkt, so Gennburg, werde sich zeigen, ob letztlich Investoren darüber entscheiden, was „sehr gute Architektur“ ist.

Beigetragen zur Sorge der Architektinnen und Architekten hat nach Informationen der taz auch die Tatsache, dass der Architekt Tobias Nöfer in den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat. Er verhandelte für die SPD etwa den Bereich Stadtentwicklung. Der 54-Jährige gilt als ein Verfechter der „kritischen Rekonstruktion“, die Berlins erster Senatsbaudirektor Hans Stimmann der Stadt nach der Wende verordnet hat. Nun fürchten manche, dass sich Nöfer bei den Verhandlungen für den Posten des Senatsbaudirektors warmgelaufen hat.

Welche Vorstellungen Nöfer von „sehr guter Architektur“ hat, lässt sich unter anderem am Spittelmarkt beobachten. 2001 hatte unter anderem sein Büro den städtebaulichen Entwurf für das Quartier vorgelegt, den die damalige Baustadträtin Dorothee Dubrau eine „Katastrophe“ nannte. Inzwischen ist diese Realität geworden, überall sind durch private Investoren neoklassizistische „Residenzen“ entstanden, denen wie in den „Beuth-Höfen“ von Tobias Nöfer aber meist die Erdgeschosszonen fehlen. Städtebau ohne Gewerbe? Die Investoren mögen das, aber darf das auch die Position der Politik sein?

Nöfer will es nicht

Aber man täte Nöfer unrecht, wenn man ihm unterstellte, dass die Vorgaben eines Investors sich mit den Vorstellungen seines Architekten decken. Für das „Pankower Tor“ etwa hat er einen Entwurf eingereicht, der bei der Online-Präsentation viel Zuspruch bekam. Auch der Internationale Ideenwettbewerb Berlin Brandenburg 2070, den er als Vorsitzender des Architekten- und Ingenieurvereins Berlin mit ausgelobt hat, hat der Debatte über die Planung der Hauptstadtregion viele Impulse gegeben.

Nöfer selbst schloss gegenüber der taz am Montag aus, Senatsbaudirektor werden zu wollen. Die Debatte aber geht weiter. Denn während der Koalitionsverhandlungen hat sich die SPD auch auf das Baukollegium eingeschossen. Das Gremium Lüschers war den Sozialdemokraten schon immer ein Dorn im Auge.

Lüscher selbst bekannte in ihrem Abschiedsinterview in der taz, welche unterschiedlichen Vorstellungen SPD und Linkspartei von „sehr guter Ar­chitektur“ haben: In der SPD seien viele, für die Politik ein Beruf sei. „Bei der Linken hab ich viel mehr das Gefühl, dass das Überzeugungstäter sind“, sagte sie.

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