piwik no script img

Stadtgespräch Reiner Wandler aus MadridTausende Mönchssittiche in den Parks von Madrid sollen erschossen werden – vielen Bürgern gefällt das nicht

Das verwackelte Video kennen viele in Madrid. Gefilmt wurde es vor wenigen Tagen von einer aufgebrachten Bürgerin mit dem Handy, in der hauptstädtischen Presse sorgt es für Schlagzeilen: Zwei schwarz gekleidete Männer mit schwarzer Maske und tief ins Gesicht gezogener Pudelmütze sind dabei zu sehen, wie sie durch den Park Quinta de La Fuente del Berro unweit der Stierkampfarena von Madrid streifen. Der eine schießt mit seinem Luftdruckgewehr auf die grünen Mönchssittiche, die überall in den Bäumen sitzen und nisten. Der andere sammelt die Kadaver ein. Das Video verbreitete sich online schnell. Auch mehrere Fernsehanstalten strahlten es aus.

Geschickt hatte die Schützen die konservative Stadtverwaltung. Sie hat zwei Unternehmen unter Vertrag genommen, um den Sittichen in Spaniens Hauptstadt Herr zu werden. Ganze 12.000 argentinische Mönchssittiche – Myiopsitta monachus, so lautet der wissenschaftliche Name – sollen die Schützen nach und nach aus den Bäumen holen.

„Irgendwas muss unternommen werden“, verteidigt der Rentner Julián Martín die Maßnahme. Er ist mit seinem Enkel auf den Spielplatz im Park gekommen. Der Kleine schaukelt, sein Opa schubst ihn an. „Es handelt sich um eine Vogelart, die eingeschleppt wurde, und heimischen Vögeln den Lebensraum nimmt“, sagt der 68-jährige Rentner und gibt damit die offizielle Begründung wieder. „Es gibt zum Beispiel kaum noch Spatzen und Finken. Sie haben den Kampf um Raum und Futter längst verloren“, sagt Martín.

Die argentinischen Mönchssittiche sind in den letzten zwei Jahrzehnten vielerorts in Spanien zur Plage geworden. In den 1980ern und 1990ern war es schick, Papageienvögel zu Hause zu halten. Dann wurde 2005 der Import in die Europäische Union verboten. So manchem der Grüngefiederten gelang in den vergangenen Jahrzehnten die Flucht, andere wurden ausgesetzt. Jetzt zieren ihre Kolonien und die riesigen Nester die Bäume in vielen Parks. Die Hälfte aller wilden Mönchssittiche in Spanien lebt in der Hauptstadt ­Madrid.

Das Programm, die Tiere „mit ethisch vertretbaren Methoden“ auszurotten, wurde von der Stadtverwaltung 2019 aufgelegt. In einem ersten Haushalt wurden 100.000 Euro veranschlagt. Mittlerweile sind es 2,9 Millionen, das macht 272 Euro pro Sittich. Tierschützer haben 30.000 Unterschriften gegen diese Maßnahme gesammelt.

Gleich neben Rentner Martín sorgt eine Mutter, Anfang 30, ebenfalls für den Schwung beim Schaukeln mit ihrem Zweijährigen. Sie – die ihren Namen nicht nennen will – ist anderer Ansicht. „Warum holen sie nicht die Nester runter? Das wäre eine wesentlich humanere Methode, als hier rumzuschießen“, sagt sie. Ein Freund von ihr, der auf Arbeiten in der Höhe spezialisiert sei, habe vom Arbeitsamt das Angebot bekommen, auf die Bäume zu steigen und die Nester zu zerstören. „Er wollte nicht. Vielleicht ist er ja nicht der einzige, der abgelehnt hat und deshalb greifen sie zum Gewehr“, sagt die Frau. „Auch wenn sie den Park währenddessen offiziell sperren, ist das gefährlich und zudem ineffizient.“ Die Frau glaubt nicht daran, dass 12.000 Vögel abgeschossen werden können.

„Was für ein Bild wirft denn das Abschießen der Vögel auf uns und unsere Stadt?“, beschwert sich Marian Mompo. Und wenn alles so legal und so normal ist, warum vermummt sich der Schütze?“ Die 52-Jährige führt ihren Hund Aso im Park Gassi. „In Salamanca haben sie Greifvögel angesiedelt. Die Mönchssittiche verzogen sich aus Angst“, sagt sie. In anderen Städten wie Barcelona werden die Vögel über Köder sterilisiert, oder die Eier werden gegen Gipseier ausgetauscht. Die Weibchen brüten dann den ganzen Sommer vergebens und eine ganze Generation fällt weg.

„Was mich am meisten stört, ist der Lärm, den die Vögel verursachen“, sagt Julián Martín an der Schaukel. Das nervige Gekrächze ist wirklich nicht zu überhören. Der Lärm der keine hundert Meter entfernten Stadtautobahn allerdings auch nicht. Darauf angesprochen, antwortet Martín schlagfertig: „Stimmt schon, das stört mich auch. Aber auf Autos zu schießen, ginge nun wirklich zu weit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen