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Leindwandlese bei 2G+

Internationale Filmfestivals in kompakter Form bringt die heute in drei Berliner Kinos beginnende 16. Ausgabe von „Around the World in 14 Films“

Von Thomas Abeltshauser

Das Prinzip ist simpel. Als „Festival der Festivals“ bringt das heute beginnende „Around the World in 14 Films“ eine Auswahl der besten Filme nach Berlin, die in diesem Jahr auf den wichtigsten europäischen A-Festivals Premiere feierten. Gelegenheit also, Highlights aus Cannes, Locarno, Venedig und San Sebastián auf der Leinwand zu sehen, zum Teil Monate vor dem regulären Start. Im Grunde ist bereits die Einladung zu „Around the World“ eine Empfehlung, und in der 16. Ausgabe finden sich sowohl etablierte Namen als auch neue Stimmen des Weltkinos.

Ein beeindruckendes Regiedebüt ist etwa Audrey Diwans „Das Ereignis“ nach dem autofiktionalen Roman von Annie Ernaux, in dem sie ihren Schwangerschaftsabbruch in den frühen sechziger Jahren verarbeitet. Der Iraner und zweifache Oscarpreisträger Ashgar Farhadi („Nader und Simin – Eine Trennung“) erzählt in seinem neuen Drama „A Hero“, für den er mit dem Großen Preis in Cannes ausgezeichnet wurde, von einem Mann, der während eines kurzen Hafturlaubs versucht, seinen Gläubiger vom Rückzug der Klage zu überzeugen.

Pablo Larraín beobachtet in seinem unkonventionellen Biopic „Spencer“ Prinzessin Diana (Kristen Stewart), die an der Kühle der britischen Königsfamilie leidet, und ihre kleinen Fluchtversuche während der Weihnachtsfeiertage auf dem Landsitz Sandringham 1991. Und im Drama „Parallele Mütter“ über zwei Frauen, die ungeplant schwanger werden, reflektiert Pedro Almodóvar die aktuelle Auseinandersetzung der spanischen Gesellschaft über die Erinnerung an die Opfer des Bürgerkriegs und positioniert sich damit deutlich politischer als sonst. Der Israeli Nadav Lapid dagegen wird persönlich und verarbeitet in „Aheds Knie“, seinem ersten Film seit dem Berlinale-Gewinn mit „Synonyme“ vor drei Jahren, auch den Tod seiner Mutter.

Etliche Beiträge handeln von Identitätskrisen, „Red Rocket“ von Sean Baker etwa folgt einem in die Jahre gekommenen Ex-Pornostar, der in seine texanische Heimat zurückkehrt und versucht, sich ein neues Leben aufzubauen. Und im kontemplativ-hypnotischen „Memoria“ schickt der thailändische Regisseur Apichatpong Weerase­thakul die Schauspielerin Tilda Swinton durch die kolumbianische Provinz, um die Ursache des mysteriösen Geräuschs zu finden, das nur sie zu hören scheint. Swinton ist auch in Joanna Hoggs autobiografischem Künstlerinporträt „The Souvenir Part II“ zu sehen, an der Seite ihrer Tochter, Honor Swinton Byrne.

In den letzten Wochen musste das Team um Leiter Bernhard Karl bangen, doch das Festival kann physisch stattfinden, nach momentanem Stand gilt die 2G+-Regel, und die Macher hoffen auf reges Publikumsinteresse. Denn auch wenn die meisten Filme bereits einen deutschen Verleih haben, ist doch aufgrund der Pandemie unklar, wann und ob diese ins Kino kommen werden, und für einige dürfte es erst einmal die einzige Möglichkeit sein, sie in Berlin zu entdecken.

Traditionell wird bei „14 Films“ der Austausch mit den Fil­me­ma­che­r*in­nen gepflegt, allerdings mussten diesmal die meisten internationalen Gäste wegen der gestiegenen Zahlen in Berlin absagen. Eine Ausnahme ist heute Abend zur Eröffnung Renate Reinsve, um die norwegische Tragikomödie „The Worst Person in the World“ von Joachim Trier vorzustellen, für die sie in Cannes als beste Schauspielerin geehrt wurde. Und wie gehabt werden die Beiträge von Paten aus der Berliner Film- und Kulturszene präsentiert, in diesem Jahr sind das unter anderem Maria Schrader, Andreas Kleinert, Burhan Qurbani und Alina Levshin. Und noch ein positives Zeichen gibt es, trotz aller Widrigkeiten, mit dem neuen Regiepreis, der von einer dreiköpfigen Jury vergeben wird.

Around the World in 14 Films, 2.–11. Dezember; Kino in der Kulturbrauerei, Delphi Lux, Neues Off; www.14films.de

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