Straßengrabenkämpfe in Hannover: Road Rage auf der Einkaufsstraße

Die Kolumnistin findet Autofahren in der Innenstadt überflüssig, die CDU und Vergleiche mit Saarbrücken aber eigentlich auch.

Ein Einbahnstraßenschild steht auf der Schmiedestraße, im Hintergrund sind Geschäfte und die Marktkirche erkennbar.

Wer hier lang fährt, wählt wahrscheinlich auch CDU: die Schmiedestraße in Hannover Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Vor ein paar Jahren stand ich einmal in meinem Auto an einer roten Ampel, hinter zwei oder drei anderen Fahrzeugen, als es vom Kindersitz hinter mir plötzlich krähte: „Wird das heute noch was? Grüner wird’s nicht, du Honk.“

Neben all den Kosten-, Klimaschutz- und Umwelterwägungen gehört das ja zu den Gründen für einen Autoverzicht, die ich nicht so oft laut sage: Ich mag mich selbst nicht, wenn ich hinter dem Steuer sitze. Auf dem Fahrrad fluche ich nur die ersten drei Kilometer, danach habe ich mir Stress und Frust aus dem Bauch gestrampelt und japse sehr freundlich.

Die CDU in Niedersachsen nimmt anscheinend gerade den entgegengesetzten Weg: Die macht aus „Road Rage“ Politik. Erst sorgt der Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann für Kopfschütteln, weil er meint, sich als Landesminister um ein winziges Stück Pop-Up-Radweg in Hannover kümmern zu müssen. Dann zettelt seine Fraktion im Landtag eine Debatte über die Pendlerpauschale an – obwohl über die ja nun hier gar nicht entschieden wird.

Auf Stadtebene in Hannover kämpfen die Christdemokraten gern für die Schmiedestraße, was mindestens genauso sinnlos, aber lustig zu beobachten ist. Für die Nicht-Ortskundigen: Die Schmiedestraße schlängelt sich am Rande der Fußgängerzone entlang und trennt die hässliche Shopping-Abteilung in schäbiger 60er-Jahre-Architektur der Innenstadt von der Abteilung „Fressen und Saufen“ in pittoreskem, pseudohistorischem Ambiente der Altstadt.

Kein vernunftbegabter Mensch fährt da mit dem Auto längs, jedenfalls nicht, wenn er sich auskennt, weil man in der Regel zu Fuß, selbst rückwärts und auf Highheels, schneller ist.

Hannover ist halt nicht wie andere Städte

Die einzigen, die da sehr langsam lang fahren, sind Autoposer mit Zuhälterschlitten oder Landpomeranzen, die mit dem SUV bis direkt vor die Boutique fahren möchten, in der sie vierteljährlich einkaufen. Ich nehme mal an, die CDU vertritt eher letztere. Obwohl erstere vielleicht sogar Gewerbesteuer zahlen.

In seinem Ehrgeiz die Stadt und das Klima zu retten, indem er die Fußgängerzone ausweitet, hat der grüne OB Belit Onay die Schmiedestraße jedenfalls schon einmal gesperrt und dort Experimentierräume eingerichtet. Jetzt hat er sie wieder sperren lassen, um dem Weihnachtsmarkt mehr Platz zu gönnen.

Zuverlässig schäumt die CDU und beschwört ein gigantisches Verkehrschaos in der Innenstadt – für den, der das nicht weiß, sieht dieses Chaos aber meistens bloß aus wie Feierabendverkehr in anderen Großstädten halt auch.

Aber natürlich ist Hannover nicht wie andere Städte. Erst neulich veröffentlichte Allensbach ja wieder eine dieser Umfragen, in der Hannover bescheinigt wird, total unattraktiv zu sein – unter den Landeshauptstädten schnitt nur Saarbrücken schlechter ab.

Merkt euch das doch endlich einmal, möchte die Lenkerin in mir schreien. Bleibt gefälligst weg hier! Überlasst diese Stadt denen, die sie mögen und fahrt gefälligst woanders einkaufen. In eines dieser hübschen Outlet-Dörfer zum Beispiel, da gibt es nicht so viel störendes echtes Leben und immer genug Parkplätze. Das habt ihr euch ganz bestimmt verdient.

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Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020

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