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„Eine Kunst, bei der man sich konzentrieren kann“

Ein Exil-Iraner bringt die Kalligrafie nach Lilienthal

Foto: privat

Reza Maleki

60, wuchs in Teheran im Iran auf und lebt seit 1985 in der Bundes­republik. Seit 20 Jahren wohnt der Gastronom und Künstler in Lilienthal.

Interview Selma Hornbacher-Schönleber

taz: Herr Maleki, Sie sind Kalligraf. Was begeistert Sie an dieser Kunstform?

Reza Maleki: Das ist eine beruhigende Kunst, bei der man sich richtig konzentrieren kann. Sehr meditativ. Kalligrafie hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Es gibt Phasen, in denen ich weniger dazu komme, aber selbst dann habe ich immer wieder ein paar Sätze geschrieben.

Was genau ist Kalligrafie?

Kalligrafie ist eine Kunstform, die es sowohl im arabischen als auch im persischen Raum gibt. Dafür gibt es im Iran auch besondere Schulen: Um Kalligraf zu werden, braucht es jahrelange Übung unter Aufsicht von Meistern. Das ist eine ganz filigrane Kunst und es dauert, bis man sie beherrscht: Wenn man den Bambusstift ansetzt – die zu schnitzen ist auch eine Kunst für sich –, braucht man einen besonderen Winkel und man muss die Abstände zwischen den verschiedenen Punkten eines Buchstabens ganz genau bemessen, damit das Ergebnis harmonisch wird.

Das klingt so, als gäbe es nur diese eine Form der Kalligrafie?

Selbstverständlich gibt es verschiedene Schreibweisen und Stile. Im persischen Raum wurde die arabische Schrift mit dem Islam eingeführt. Das haben Kalligrafen weiterentwickelt, über die Jahre sind verschiedene Schreibstile entstanden. Unterschiedliche Stile benötigen auch unterschiedliche Materialien: Für arabische Schriftarten nutzt man harte Holzfedern. Die iranische Form der Kalligrafie hat so schmale Züge, dass man eine flexible Bambusfeder braucht.

Wie viel Gestaltungsspielraum haben Sie als Künstler?

Ausstellung

„Kalligraphische Reise durch den Okzident“: bis 23. 12., Bibliothek Lilienthal

in Murkens Hof,

Klosterstraße 25; https://lilienthal.de

Ich male Bilder mit Schriftzügen, Wörtern und Buchstaben. Da bin ich nicht der erste, das ist eine Weiterentwicklung, bei der man wirklich von außen unterscheiden kann, wer welches Werk gemalt hat. Aus Sicht der Europäer ist das eine abstrakte Kunst: In meinen Bildern geht es nicht um Gedichte oder Suren, sondern um einzelne Wörter oder Buchstaben. Jedes Bild ist meine eigene Komposition.

Sie haben in den 1980ern angefangen. Interessiert sich heute hauptsächlich Ihre Generation für Kalligrafie?

Ganz im Gegenteil! Kalligrafie ist sehr gefragt, da interessieren sich viele junge Leute dafür. Immer wenn ich zurück im Iran war, seit ich 1985 weggezogen bin, sind neue Kalligrafieschulen entstanden. Früher war es so, dass nur männliche Künstler Kalligrafen werden konnten. Als ich die Kalligrafieschule besucht habe, änderte sich das: Mittlerweile sehe ich, dass sich auch Frauen sehr dafür interessieren und tolle Werke erschaffen.

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