Polen soll eine Million Euro zahlen – täglich

Im Justizstreit zwischen Polen und der EU hat der EuGH Warschau zu einem Zwangsgeld verurteilt

Von Christian Rath

Weil Polen die umstrittene Disziplinarkammer am Obersten Gericht weiter arbeiten lässt, muss der EU-Staat jetzt täglich eine Million Euro Zwangsgeld zahlen. Dies ordnete der Vizepräsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der Däne Lars Bay Larsen, an.

Die polnische Regierungspartei versucht seit 2015, die Justiz des Landes gleichzuschalten. Teile der polnischen Justiz und die EU wehren sich dagegen.

Das Verfahren, das auf EU-Ebene am weitesten fortgeschritten ist, betrifft die Disziplinarkammer am Obersten Gericht, die 2018 eingeführt und nur mit linientreuen Richtern besetzt wurde. Nur „neue Richter“ sollen hier die „alten Richter“ überprüfen können. 2019 fragte eine andere noch unabhängige Kammer des Obersten Gerichts den EuGH, ob die neue Disziplinarkammer den Anforderungen an ein unabhängiges Gericht genüge. Der EuGH nannte daraufhin im November 2019 die Maßstäbe und überließ dem Obersten Gericht Polens die Entscheidung. Das Oberste Gericht Polens entschied in den folgenden Wochen zweimal, dass die neue Disziplinarkammer kein unabhängiges Gericht sei. (Der EuGH hat dies in einem anderen Verfahren erst im Juli 2021 festgestellt.)

Weil Polen die Disziplinarkammer weiterarbeiten ließ, eröffnete die EU-Kommission im April 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen. Und weil sich Polen davon unbeeindruckt zeigte, beantragte die EU-Kommission beim EuGH auch eine einstweilige Anordnung. Diese Eilanordnung erließ die damalige Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Polen solle bis zum endgültigen EuGH-Urteil die Arbeit der Disziplinarkammer aussetzen.

Doch Polen folgte der Anordnung nur bedingt. Die Disziplinarkammer arbeitet weiter die bereits anhängigen Verfahren ab, bekommt nur keine neuen Fälle dazu.

Die EU-Kommission hat deshalb ein Zwangsgeld gegen Polen beantragt. Warschau muss so lange täglich eine Million Euro an die EU zahlen, bis es der EuGH-Verfügung aus dem Juli nachkommt. Wann das endgültige EuGH-Urteil in diesem Verfahren erfolgt, ist offen.

Im September war Polen zu täglichen Zahlungen in Höhe von einer halben Million Euro verurteilt worden, weil es entgegen einer einstweiligen Anordnung des EuGH den Braunkohleabbau im Tagebau Turow nicht stoppte.

Mit der Verhängung von Zwangsgeldern gegen Polen eskaliert der Streit zwischen der EU und Polen weiter. Anfang Oktober hatte das polnische Verfassungsgericht entschieden, dass zentrale Bestimmungen der EU-Verträge gegen Polens Verfassung verstoßen, weil sie EU-Recht über die polnische Verfassung stellen. Gleichzeitig blockiert die EU-Kommission die Auszahlung von Geldern aus dem Corona-Aufbau-Fonds an Polen. Es geht um 24 Milliarden Euro Zuschüsse und 12 Milliarden Euro Darlehen. (Az.: C-204/21 R)