Nebenklage wird Rede verweigert

In Itzehoe steht eine ehemalige KZ-Sekretärin vor Gericht. Anwälte einiger Überlebender des KZ Stutthof wollten eine Erklärung abgeben – das Gericht lehnte ab

Im Prozess gegen eine ehemalige KZ-Sekretärin vor dem Landgericht Itzehoe ist es am Dienstag zu einem heftigen Streit zwischen mehreren Nebenklage-Vertretern und der Strafkammer gekommen. Rechtsanwalt Onur Özata, der drei Überlebende des KZ Stutthof bei Danzig vertritt, hatte eine Eröffnungserklärung abgeben wollen, was das Gericht am Dienstag ablehnte. „Sie wollen uns mundtot machen! “, warf Özata dem Vorsitzenden Richter Dominik Groß vor. Nebenklage-Vertreter Christoph Rückel appellierte an das Gericht, auf Kooperation statt Konfrontation zu setzen.

Angeklagt ist eine ehemalige Schreibkraft in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers. Die Anklage wirft der 96-jährigen Irmgard F. Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen vor. Durch ihre Tätigkeit von Juni 1943 bis April 1945 habe sie den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von Gefangenen Hilfe geleistet. Zur Tatzeit war die Frau 18 bis 19 Jahre alt. Darum findet der Prozess vor einer Jugendkammer statt. Zum Auftakt am 19. Oktober war sie nicht erschienen. Das Gericht hatte sie verhaften lassen. Nach fünf Tagen durfte sie das Gefängnis verlassen.

Richter will Zeugen später hören

Der Nebenklage-Vertreter Mehmet Daimagüler kritisierte das Gericht für eine Formulierung in der Ablehnung des Eröffnungsstatements seines Kollegen Özata. Die Kammer habe geschrieben, auf eine Eröffnungserklärung der Verteidigung sei nach der Strafprozessordnung eine Replik der Staatsanwaltschaft, „geschweige denn der Nebenklage“ nicht vorgesehen. „Das ist eine respektlose Frechheit!“, sagte Daimagüler. Der Vorsitzende Richter habe die Rolle der Nebenkläger nicht verstanden. Dass die hochbetagten Opfer sich über ihre Anwälte zu Wort melden und Zeugnis ablegen wollten, sollte das Gericht glücklich machen.

Groß erwiderte, dass selbstverständlich geplant sei, die Zeugen zu hören. Die langfristige Terminplanung sei in dem Verfahren jedoch schwierig. „Daraus zu schlussfolgern, dass diese Damen und Herren nicht gehört werden sollen, ist einfach abwegig“, betonte der Richter.

Der Göttinger Historiker Stefan Hördler stellte als Sachverständiger die Organisation und Struktur des Lagers Stutthof dar. Es sei gleich nach Kriegsbeginn in einem Gebiet gegründet worden, das zum Territorium der Freien Stadt Danzig gehörte. Die Wachmannschaft von Stutthof habe sich zu einem großen Teil aus dem Danziger „SS-Wachsturmbann Eimann“ rekrutiert.

Die Mitglieder dieser Einheit hätten zu Beginn des Krieges Tausende psychisch Kranke und Angehörige der polnischen Intelligenzija erschossen. Es sei eine der ersten Einheiten gewesen, die zu systematischen Mordaktionen herangezogen wurden. Noch 1939 sei der „Wachsturmbann“ von den SS-Totenkopfverbänden übernommen worden, die als Teil der Waffen-SS für die Bewachung der Konzentrationslager zuständig waren. (dpa)