: „Wir sind kein Beiwerk“
Schauspieler Johannes Osenberg über Geldnot und die Aktion #rettedeinTheater
Interview Lisa Bullerdiek
taz: Herr Osenberg, haben Sie Angst um Ihre Existenz?
Johannes Osenberg: Ja, tatsächlich schon. Es ist nicht so, dass wir uns als Darsteller*innen aus einer komfortablen Lage heraus beschweren. Wir kommen mit abgeschlossenem Hochschulstudium in den Mindestlohn, davon kann man keine Familie ernähren. Wenn ich höre, was Darsteller*innen mit 15, 20 Jahren Berufserfahrung verdienen, dann fallen mir die Augen aus dem Kopf.
Was ist gerade das Problem?
Im neuen Haushaltsplanentwurf der niedersächsischen Landesregierung für 2022/2023 sind die Tariferhöhungen als Ausgleich für die Inflation nicht eingerechnet, die für den öffentlichen Dienst gelten. Für uns gibt es keine Tariftabelle. Allein am „Theater für Niedersachsen“ in Hildesheim fehlen dann eine Million Euro – das sind zehn Stellen. Da bangt man schon um seinen Job. Es geht aber eigentlich um alle Theater in Niedersachsen, am meisten die freien.
Wo wird gespart werden?
Bei den Künstler*innen, weil 75 Prozent der Ausgaben Personalkosten sind. Zusätzlich haben wir durch Corona eine Erhöhung bei den Materialkosten. Die meisten Bühnenbilder sind aus Holz und das ist 65 Prozent teurer geworden.
Und die Pandemie hat alles noch schlimmer gemacht?
Ja, bei uns am Haus schon. Wir wollten gerade wieder öffnen, dann kam zusätzlich ein Wasserschaden. Obwohl das eigentlich anders vereinbart war, wurden wir in Kurzarbeit geschickt. Jetzt gerade können wir die Theater nur zur Hälfte besetzen. Aber das Finanzierungsproblem und auch das Bündnis #rettedeintheater gibt es schon länger.
Seit wann?
2018 haben wir schon unter dem Hashtag vor dem Theater demonstriert. Auch damals hat die Regierung kein Geld locker gemacht. Wir haben früher auch mit Politiker*innen geredet. Wir haben erreicht, dass die Inflation mit eingerechnet wird. Das hat sich jetzt geändert.
Demonstration des Bündnisses #rettedeintheater: heute, 11–14 Uhr, Hannover, Opernplatz
Was fordern Sie?
Wir brauchen einen nachhaltigen Plan für die Theater und Kultureinrichtungen, weil wir nicht jedes Mal wieder nachfragen wollen. Wir sind kein Beiwerk. Wir Deutschen rühmen uns für unsere Kultur- und Theaterlandschaft und dann wird sie ignoriert. Wenn wir uns die Pro-Kopf-Ausgaben angucken, sind wir in Niedersachsen auf Platz 14 von 16 im Bundesvergleich. Der Durchschnitt sind 46 Euro pro Person für Kulturförderung, Berlin gibt 112 Euro aus, Niedersachsen 30 Euro.
Nimmt Ihnen das die Freude am Theaterspielen?
Das nicht, aber wir müssen uns gerade mit Dingen rumschlagen, die es uns erschweren, uns auf unseren eigentlichen Job zu konzentrieren. Wir sind alles Ehrenamtliche, die neben ihrem Vollzeitjob organisieren. Andererseits ist es unglaublich schön zu sehen, wie Künstler*innen aus allen Theatern des Landes an einem Strang ziehen.
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