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Unter der Lupe

Ve­ga­ne­r:in­nen informieren sich oft abseits offizieller Empfehlungen über gesunde Ernährung. Forschungsbedarf besteht für die Ernährung von Kindern und Schwangeren

Alles so schön bunt hier. Aber auch gesund? Darüber informieren sich Ve­ga­ne­r:in­nen häufig auf Online­foren Foto: Anna Ivanov/The Picture Pantry/mauritius images

Von Helke Diers

Discounter launchen vegane Produktmarken, Frauenzeitschriften haben in ihren Rezeptsammlungen eine tierfreie Kategorie und der Umsatz mit Ersatzprodukten steigt rasant. Wurst, Käse, Milch – es gibt fast nichts ohne pflanzliche Alternative. Der Anteil der Ve­ga­ne­r:in­nen ist im letzten Jahr auf 2 Prozent gestiegen. Auch Ve­ge­ta­rie­r:in­nen sind mit 10 Prozent in Deutschland präsenter als zuvor, ergeben Zahlen des Ernährungsreports 2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Die Gründe für die veränderten Ernährungsgewohnheiten sind vielfältig. Im Vordergrund steht eine ethische Haltung. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht „Vegane Ernährung als Lebensstil: Motive und Praktizierung“ des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – angesiedelt beim BMEL – aus dem Jahr 2017. Tiere sollen weder für Menschen getötet noch für deren Zwecke genutzt werden. Den Tierschutz an der Spitze sieht auch eine Umfrage der Marke Veganz aus dem Jahr 2019. Aber: Menschen motivieren oft verschiedene Gründe gleichzeitig. Viele Ve­ga­ne­r:in­nen legen außerdem Wert auf gesunde Ernährung und einen geringen ökologischen Fußabdruck, entnahm das BfR seiner Befragung. Die Liste der durch intensive Tierhaltung verursachten Probleme ist lang. Es geht beispielsweise um Waldabholzung, Antibiotika-Einsatz und Treibhausgas-Emissionen.

Viele vegan lebende Menschen haben laut dem BfR-Bericht grundsätzlich ein hohes Wissen zu gesunder Ernährung. Fast alle Teil­neh­me­r:in­nen der Diskussionsgruppen berichteten über ein subjektiv gesteigertes Wohlbefinden. Die erhofften gesundheitlichen Vorteile durch eine pflanzliche oder pflanzenbasierte Ernährung scheinen mit zunehmendem Alter wichtiger zu werden. Das legen Daten einer durch den großen deutschen Geflügelzüchter PHW-Gruppe beauftragten Forsa-Umfrage nahe.

So wie jede andere Ernährungsform kann vegane Kost gesund oder ungesund sein. Junkfood ohne Ende gibt es nämlich auch in vegan. „Es braucht eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung“, sagt Anna-Lena Klapp, Fachreferentin für Ernährung und Gesundheit bei der vegan-vegetarischen Ernährungsorganisation ProVeg. Ähnlich der Tenor bei den Befragten des Bundesinstituts: Vegan ist per se nicht gleich gesund. Es kommt auf das „Wie“ an. Informationen über mögliche Nährstoffdefizite und Supplementierung suchen sich Ve­ga­ne­r:in­nen in der Regel selbst und handeln nicht aufgrund von ärztlichen Empfehlungen. Soziale Medien und Foren spielten schon für die Teil­neh­me­r:in­nen des 2017 veröffentlichten BfR-Berichts eine herausragende Rolle. Deren Bedeutung dürfte inzwischen weiter gewachsen sein. Die deutschsprachige Youtuberin Mirella vom Kanal mirellativegal hat über 600.000 Abonnent:innen, für die Rezepte von Bianca Zapatka interessieren sich auf Instagram rund 730.000 Menschen. Es gibt Podcasts, Filme und Dokumentationen. In dem US-amerikanischen Dokumentarfilm „The Game Changers“ aus 2018 sprechen Spit­zen­sport­le­r:in­nen wie Rennfahrer Lewis Hamilton oder Kraftsportler Patrik Baboumian über vegane Ernährung.

Staatliche Stellen sollten besser informieren, auch via Social Media

„Die Hauptinformationsquellen sind Webseiten, Blogs und Social Media. Auch Bücher stehen hoch im Kurs“, sagt auch Klapp. Es gehe sowohl um Organisationen als auch Einzelpersonen mit einer großen Reichweite. „Ich persönlich sehe das als Demokratisierung. Menschen haben es auf sehr kreative und niederschwellige Weise geschafft, anderen Menschen vielfältige Ernährung näher zu bringen.“ Die staatlichen Stellen hätten es zeitweise versäumt, an die Allgemeinbevölkerung und an Ve­ga­ne­r:in­nen mit leicht zugänglichen Informationen heranzukommen. Sie beobachte jedoch eine Veränderung, immer öfter würde von offizieller Seite weniger alarmistisch und dafür mit Handlungsempfehlungen gearbeitet: „Die staatlichen Stellen müssen präsenter und niederschwelliger im Social-Media-Bereich werden – und auch ein bisschen progressiver.“

Es gibt Bedarf an weiterer Forschung. „Da viele Empfehlungen im Hinblick auf vegane Ernährung größtenteils nicht auf repräsentativen Daten beruhen, würden belastbare medizinische Studien in der Zielgruppe sicherlich begrüßt werden“, folgerte das Bundesinstitut für Risikobewertung 2017.

Einige Jahre und Studien später sagt Klapp: „Die aktuelle Studienlage ist sehr gut, gerade in Bezug auf die erwachsene Bevölkerung. Da ist man sich einig, dass die vegane Ernährung präventives Potenzial hat und eine angemessene Dauerernährung ist.“ Sie sieht Bedarf in der Forschung zu Kindern, Schwangeren, Stillenden und Sportler:innen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine vegane Ernährung von Kindern, Schwangeren und Stillenden bislang in ihrer Stellungnahme aus 2020 wegen der „unveränderten unzureichenden Beurteilungsgrundlage“ nicht (mehr dazu auf der vorherigen Seite: „Wissen über Essen“).

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