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dvdeskHypnose und Kaktusgift

Eine Traumsequenz mit rasanten Montagen, eine Verfolgung, ein Unfall, Johanna erwacht. Sie ist das Zentrum des Films, es spielt sie Marianne Hoppe, ein großer Star des Films und mehr noch des Theaters seit den dreißiger Jahren, eine Schauspielerin, die trotz ihrer Funktion als Aushängeschild der Nazi-Kultur neben ihrem Mann Gustaf Gründgens ihre Karriere nach dem Epochenbruch des Nationalsozialismus nahtlos fortgesetzt hat, bis hin zur letzten Rolle in Heiner Müllers Arturo-Ui-Inszenierung. Hier aber, in diesem Film, der 1948 entstanden ist und in die Kinos kam, ist sie eine Frau mit zwei Identitäten, eine Frau, die von zwei Männern geliebt wird und die ein Rätsel umgibt.

Es verkörpert sich in einer Maske, die an der Wand hängt, auf deren glattes Erscheinungsbild einen schon der Vorspann des Films einschwört. Es ist die Maske eines Gesichts mit asia­tischen Zügen, es ist nicht Johannas Gesicht, und es ist doch ihr Gesicht, im Spiegel erscheint sie sich als diese andere und selbe Frau in einer Überblendung mit diesem Gesicht.

Der Ort des Geschehens ist Heidelberg, das ist klar: der hinfließende Neckar, die Ruine des Schlosses, ein Panorama, das wiederkehrt, vor allem in Rückprojektionen. Als dunkles romantisches Märchen gibt sich zunächst die Geschichte. Johanna, die vom anderen Gesicht verfolgte Frau, hat depressive Schübe, mit dem behandelnden Arzt Thomas Martin (Gustav Fröhlich) ist sie verlobt. Und nun wird es kompliziert. Der sorgende Arzt und liebende Mann nämlich verabreicht ihr, wie sich herausstellt: selbst unter Hypnose, Marihuana, das im Erklärtext als südamerikanisches Kaktusgift vorgestellt wird.

Hypnotisiert hat den Arzt sein Freund, der sich sehnlich wünscht, dass Johanna per Zusammenbruch zum verlorenen Gesicht, zur verlorenen asiatischen Identität zurückkehrt. Als falsche Asiatin, als exotisierbares „orientalistisches“ Anderes hat er sie geliebt. Sie war, das stellt sich in einer langen Rückblende heraus, die nicht in Heidelberg, sondern, herzlich unromantisch, in Stuttgart spielt, eine Art Kaspar Hauser, eine Unbekannte, die einfach so auftauchte, mit unklarer Identität, aber asiatischen Zügen, und sprach eine Sprache, die keiner verstand.

Und so klar die Orte des Geschehens sind, die Zeit ist es nicht. Im Gegenwartsteil der damaligen Gegenwart nah, in der Rückblende jedoch fährt eine Pferdekutsche herum. Man kann von einem bewussten Verunklärungszusammenhang sprechen. Noch und gerade in den Aufklärungen, die der Film inszeniert, bleibt die Frage, was ihn eigentlich umtreibt, seltsam verdeckt. Der Regisseur Kurt Hoffmann war auch einer, der als erfolgreicher UFA-Mann für die Nazis manch ein Heinz-Rühmann-Vehikel gedreht („Quax, der Bruchpilot“), aber nach dem Krieg einfach weitergemacht hat. Heiler als hier war die Welt dann in Filmen wie „Ich denke oft an Piroschka“ oder „Das Wirtshaus im Spessart“.

Denn heil ist die Welt nicht in „Das verlorene Gesicht“. Neben Großaufnahmen von sprachlos bleibenden Augen dominieren Spiegelmotive und Kamerafahrten an dunklen Mauern vorbei, die als Szenentrenner fungieren: Spiegel und Schacht, könnte man sagen. Der Film aber umkreist einen Abgrund, den er niemals benennt, schafft ein Rätsel, das keines ist, hantiert mit Mabuse-, Schizophrenie- und Paranoia-Motiven, nimmt ihnen aber letzten Endes den Schrecken. Ein Film, der mit der Sprache nie wirklich herausrückt. Ein Film über eine Frau, die traumatisiert ist, die ihr Gesicht und ihr Gedächtnis verliert. In seiner ganzen übermotivierten Verdruckstheit also ein Film, der ins Deutschland des Jahres 1948 ganz hervorragend passt. Ekkehard Knörer

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