: Chrysanthemen stehen für ewige Treue
Blumen gehören zum Leben dazu – genau wie zu Beerdigungen. Bei der Wahl der passenden Trauerfloristik gilt es auch etwas zu beachten
Von Lisa Bullerdiek
Ein Meer von ihnen, eine Insel an der Straßenecke, ein einzelnes Blütenblatt auf frischer Erde: Blumen sind, ob bewusst oder unbewusst, Teil des Alltags. Und so spielen sie auch bei Beerdigungen eine wichtige Rolle.
„Wir trösten die Leute ein bisschen“, sagt Birgit Stelter. Sie und ihr Mann leiten das Geschäft Blumen Stelter in Bremen und haben sich auf Trauerfloristik spezialisiert. Sie stecken die Kränze, schneiden Sträuße und drucken Schleifen: „In Liebe“, „Mein Schatz“ und Ähnliches steht darauf. „Manche mögen strukturierte Kränze, zum Beispiel eine Hälfte ausschließlich mit Rosen“, sagt die Floristin. „Andere wollen einen Kranz in Herzform.“
Die meisten Menschen würden Rosen bevorzugen, sagt Stelter. Die Blumen und Pflanzen symbolisieren etwas, haben eine eigene Sprache. „Die Rose ist das Symbol der Liebe“, sagt Birgit Stelter. Die Lilie stehe für Reinheit und Glauben, Calla für Unsterblichkeit und Leben nach dem Tod, die Nelke auch. Chrysanthemen symbolisieren ewige Treue und aufrichtige Gefühle, auch über den Tod hinaus. Wer für die Beerdigung einer geliebten Person Gerberas auswählt, sagt damit, dass sie das Leben anderer verschönert hat. Die Bedeutung von Vergissmeinnicht ist ziemlich offensichtlich. „Der Kranz selbst steht für Anfang und Ende“, sagt Stelter, „ist also ein sehr christliches Symbol.“
In seinem Buch „Do Funerals Matter?“ erzählt William Hoy die Kulturgeschichte der Beerdigungen und stellt sich die Frage, welche Bedeutung sie im Leben und Trauern eines Menschen haben. Für ihn sind Beerdigungen Anker, denn Trauer mache schwerelos. Symbole seien dabei ein Anker, ebenso die Gemeinschaft, das Ritual, das kulturelle Erbe dahinter und die Tatsache, dass der tote Körper, die Leiche dort ist. Blumen, findet er, helfen bei allem.
Die Coronapandemie hat Trauergemeinschaften notgedrungen verkleinert. Zu Beginn der Pandemie durfte nur der allerengste Familienkreis zu Trauerfeiern kommen, später zehn Menschen. So wurden auch deutlich weniger Blumen bestellt, wie Birgit Stelter sagt.
Weniger Menschen auf einer Trauerfeier – das bedeutet immerhin weniger mögliche Blumen-Fauxpas. Einen typischen beschreibt Linda Kaiser von der Deutschen Kniggegesellschaft: „Die Größe des Kranzes muss schon zum Verwandtschaftsgrad passen.“ Heißt: Der Kranz, den die ehemalige Fußballtrainerin schickt, sollte nicht größer sein als der des Ehemannes. Wer möchte, kann bei Beerdigungen die Gerüchteküche anheizen. „Rote Rosen sind wirklich engen Verwandten oder EhepartnerInnen vorbehalten“, sagt Birgit Stelter. „Sonst könnten die Leute denken, dass da noch jemand anderes war.“
Warum Blumen bei Beerdigungen verwendet werden, dafür haben WissenschaftlerInnen mehrere Ursprünge ausgemacht. Ein berühmtes Beispiel: 1971 bezeichnete der Archäologe Ralph Solecki die NeandertalerInnen in den Shanidar-Höhlen im heutigen Irak als erste Blumenmenschen. Ihre Gräber entstanden zwischen 60.000 und 80.000 vor Christus. Solecki attestierte diesen prähistorischen Menschen einen Sinn für Schönheit und Trauer, weil er Blumensamen in der Nähe ihrer Grabstätten fand. Heute ist das umstritten, denn vielleicht haben auch Mäuse die Blumensamen angeschleppt.
Nachgewiesen ist hingegen, dass im alten Ägypten Pharaonen auf einem Blumenbett begraben wurden. Dafür importierten sie die Pflanzen sogar aus Griechenland – ein frühes Zeugnis für überregionalen Handel.
Die moderne Trauerfloristik gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts, ihr Ursprung liegt wohl in England. In der viktorianischen Zeit waren die Blumenarrangements überbordend und skurril, erschienen in Form von Ankern, Sicheln oder Geweihen. Meistens aus stark duftenden Blumen und Pflanzen bestehend, sollten sie den Verwesungsgeruch der Toten überdecken, die oft tagelang in Privathäusern aufgebahrt waren – vor der Erfindung von Einbalsamierungsflüssigkeit mit Formaldehyd.
Autor William Hoy schreibt, dass Beerdigungen helfen, mit der Unsicherheit umzugehen, die mit dem Tod einhergeht. „Es ist schon manchmal schwierig auch nach 20 Berufsjahren noch“, erzählt auch die Floristin Birgit Stelter. Eine Geschichte ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben: „Hier waren mal die Eltern eines ganz jungen Mannes, er war vielleicht 18. Sie waren unglaublich tapfer, aber als ich die Blumen bei der Kirche vorbeigebracht habe, war ich selber total fertig.“ Welche Blumen diese Eltern wählten? „Sie waren mit ihrem Sohn oft in Südfrankreich – also Lavendel.“
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