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Strahlung selber messen

Am Atommüllendlager Asse II gibt es jetzt eine Bürger-Messstelle für Radioaktivität. Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen sprechen von einer „Beruhigungspille“ für die Bevölkerung

In der Nähe dieses „Asse-A“s können Bür­ge­r:in­nen jetzt selbst Umweltproben auf Radioaktivität messen Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Von Reimar Paul

Seit Jahrzehnten lagern im maroden Atommülllager Asse II rund 126.000 Fässer mit radioaktiven und extrem giftigen chemischen Abfällen. Filmaufnahmen aus dem früheren Salzbergwerk belegen, dass die Fässer zum Teil korrodiert sind. Die ganze Schachtanlage ist instabil und droht voll Wasser zu laufen. Die Nachbarschächte Asse I und Asse III waren schon früher abgesoffen und aufgegeben worden. Die Ängste vieler Menschen in der Umgebung scheinen berechtigt.

Gestern wurde in Remlingen, in unmittelbarer Nähe der Asse, eine Bürger-Messstelle für Umweltradioaktivität in Betrieb genommen. In der Einrichtung können künftig Proben aus dem Boden, aus Früchten, Gras und Wasser auf radioaktive Strahlung gemessen werden. Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen aus der Region sprechen allerdings von einer „Beruhigungspille“ für die Bevölkerung.

Betreiber der Messstelle ist der Forschungsverbund Transens (Transdisziplinäre Forschung zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland), an dem 16 Forschungseinrichtungen und Institute beteiligt sind. Vor Ort wird das Labor von Mitarbeitenden des Instituts für Radioökologie und Strahlenschutz der Universität Hannover betreut. Laut Wolfgang Schulz, dort tätigem Wissenschaftler und Projektsprecher, ist das Ziel, „zu ermitteln, welche Radionuklide in den Umweltproben enthalten sind“. Mit Hilfe der sogenannten Gamma-Spektrometrie lasse sich eine Vielzahl von radioaktiven Stoffen in praktisch allen Umweltmedien ohne besonders aufwändige Probenvorbereitung sehr genau bestimmen.

Bürgerinitiativen, Privatpersonen, aber auch Schulen könnten sich an den Messungen beteiligen, hieß es bei der Eröffnung des Labors. Die gesamte Ausstattung der Stelle solle nach Ende der Projektlaufzeit im Jahr 2024 vor Ort bleiben und die Messstelle entsprechend „verstetigt“ werden.

Die möglichst direkte Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in die Messung von Umweltradioaktivität könne einen „positiven Beitrag zum öffentlichen Diskurs liefern“, so Clemens Walther von der Uni Hannover. Wenn Bürgern vor Ort die Möglichkeit eröffnet werde, eigene Messexpertise aufzubauen und Daten korrekt zu interpretieren und wenn Messeergebnisse konsequent veröffentlicht würden, sei dies in diesem „sensiblen Themenfeld“ ein wichtiger Beitrag zur informativen Selbstbestimmung.

Bürgerinitiativen bemängeln, dass in dem Labor ausschließlich die Gamma-Strahlung­ gemessen werden soll, nicht aber andere Formen von Radioaktivität. Diese seien im Fall der Asse viel bedeutsamer, um die Belastung der Umwelt zu ermitteln. „Warum wird in Remlingen eine Gamma-Spektrometrie-Messstelle eingerichtet, wo doch bei Asse II die radioaktiven Beta-Strahler Kohlenstoff-14 und Tritium (radioaktiver Wasserstoff, Anm. RP) sowie der Alpha-­Strahler Radon-222 die wesentlichen Radionuklide aus der Fortluft sind?“, fragt der Asse-Aktivist Andreas Riekeberg.

„Es dient eher der Verharmlosung als der Aufklärung der Belastung“

Heike Wiegel, „AufpASSEn“

Gamma-Strahler entfalten ihre schädigende Wirkung beim unmittelbaren Kontakt mit Körpern. Beta-Strahler sind hingegen radioaktive Partikel, die vom Körper aufgenommen werden und zerfallen. Dieser radioaktive Beta-Zerfall schädigt die DNA, beeinflusst die Zellteilung und führt zu Mutationen bei Körperzellen und Geschlechtszellen.

Heike Wiegel, Vorstandsmitglied des Vereins „AufpASSEn“, sieht das Vorhaben ebenfalls kritisch: „Wir halten eine Gamma-Spektrometrie bei Asse II in der geplanten Form für ein Ablenkungsmanöver“, sagte sie. „Es dient eher der Verharmlosung als der Aufklärung der tatsächlichen radioaktiven Belastung in der Umgebung von Asse II.“

Mit der Kritik konfrontiert, sagte Projektsprecher Schulz der taz, die Einrichtung solle Bürgern überhaupt erst einmal die Möglichkeit eröffnen, Proben aus ihrer Umwelt selbst zu messen. Dass hier zunächst nur die eine Gamma-Analytik angeboten werde, habe mit der Komplexität der Analysemethode zu tun: „Während wir Gamma-­Analytik von Umweltproben ohne chemische Grundausbildung der Beteiligten vor Ort direkt und ohne weitere Hürde mit Bürgern gemeinsam durchführen können, ist für die Beta-­Analytik zwingend ein chemisches Labor und eine sehr aufwändige chemische Probenvorbereitung notwendig.“

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