: Neue Infrastruktur: auch eine Frage der Leitung
Für die Energiewende brauchen wir leistungsfähige Stromnetze. Auch das Erdgasnetz und Elektrofahrzeuge spielen eine Rolle
Früher kam der Strom auch nicht einfach so aus der Steckdose, aber klar nachvollziehbar aus Kraftwerken. Künftig verwischt nicht nur die Rollenverteilung von Erzeugern und Verbrauchern, auch die Energieträger Strom und Gas rücken zusammen. Regenerative Ressourcen wie Wind und Sonne stehen bei der Energiewende im Fokus. Doch wie gelangt der Strom zu den Verbrauchern? Hierfür müssen die Übertragungsnetze ausgebaut und optimiert werden. Um die Versorgung sicherzustellen, hat nach dem Bundestag Ende Januar auch der Bundesrat einer Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes zugestimmt. Der Novelle liegt das Ziel zugrunde, bis 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von 65 Prozent zu erreichen. Durch die Neufassung werden 35 neue Netzausbauvorhaben in das Gesetz aufgenommen und neun bisherige Netzausbauvorhaben geändert. „Damit ist der Netzausbau ein Schlüsselelement für eine erfolgreiche Energiewende“, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.
Die Herausforderung beschränkt sich nicht nur auf den Ausbau von Kapazitäten. Wichtig ist auch, dass der abgestimmte Betrieb aller Anlagen und Netze im Gesamtsystem funktioniert. Die laufende Einbindung erneuerbarer Energie – von kleinen Photovoltaikanlagen auf dem Dach bis hin zu großen Windparks – macht dies zu einer Herausforderung. Das Gesamtsystem wird viel komplexer als bisher. Energieflüsse sind darin keine Einbahnstraßen mehr, Daten werden in großem Umfang ausgetauscht und Szenarien simuliert. Bei dieser Überwachung, Planung und Optimierung spielt die IT eine zentrale Rolle – und damit deren Sicherheit. „Dafür haben wir eine Toolbox mit Datenbanken, Computerprogrammen und Modellen konzipiert, mit der das Energiesystem sektorübergreifend effizient gesteuert werden kann“, sagt Holger Hanselka, Koordinator der Initiative Energie System 2050 der Helmholtz-Gemeinschaft. „Das ist einerseits wichtig, um die wetterbedingt schwankende Leistung der Windkraft- und Solaranlagen auszugleichen, aber auch, um das System flexibel zu halten und die Kosten zu senken.“
Dass der Ausbau des Netzes erforderlich ist, um Strom aus erneuerbaren Energien zu den Zentren des hohen Verbrauchs transportieren zu können, sieht auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) so: „Dies macht das Stromsystem flexibler und reduziert den Bedarf an neuen fossilen Kraftwerken.“ Der BUND kritisiert jedoch, dass der Ausbau in Teilen über den Bedarf der regenerativen Energiewende hinausgehe, um etwa Kapazitäten für den europäischen Stromhandel bereitzustellen. Andere Flexibilisierungsmöglichkeiten hingegen blieben unberücksichtigt: „Der Ausbau von Speichern wird in Zukunft wichtig sein, um Stromüberschüsse in großem Umfang für jene Zeiten zu speichern, in denen wenig erneuerbarer Strom produziert wird“, so der BUND. „Das kann zum Beispiel über neue Technologien wie Power to Gas erfolgen.“ Dabei wird überschüssiger Strom in Wasserstoff oder Methan umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert.
Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) wiederum untersucht in einem Feldversuch das Potenzial von Elektrofahrzeugen zur Bereitstellung von Regelreserve im Stromnetz. Bislang werden diese Reserven in erster Linie von großen und mittelgroßen Kraftwerken bereitgestellt. Fahrer von Elektrofahrzeugen in Baden-Württemberg, die ihre Fahrzeuge zu Hause laden, sind nun eingeladen, an einem Feldtest mit über 100 Elektrofahrzeugen teilzunehmen. Nur in Kombination mit solch innovativen Speichern werden die leistungsfähigen Stromnetzte ihr Potenzial künftig voll entfalten können. Lars Klaaßen
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