Kinoempfehlungen für Berlin: Die ersten It-Girls

Das Zeughauskino zollt mit einer Filmreihe den neuen, selbstbewussten Frauen der Zwanziger Tribut. Und es wird an Jean-Paul Belmondo erinnert.

Ein Mann hält das Gesicht einer Frau in seinen Händen, im Spiegelbild sieht man seine Zigarette

Belmondo und Seberg in „Außer Atem“ Foto: Studiocanal

In den 1920er Jahren hatte sich die Gesellschaft in den Industriestaaten soweit modernisiert, dass auch das Bild der Frau einer Generalüberholung unterzogen wurde. Schließlich waren Frauen mittlerweile verstärkt berufstätig und spielten auch als Konsumentinnen eine immer wichtigere Rolle für die Industrie. Selbstbewusstsein, privat wie im Arbeitsleben, war das Gebot der Stunde: Die Frauen rauch­ten nun in der Öffentlichkeit und „befreiten“ ihre Körper: im Schwimmbad, in der Mode und in der Liebe. Hektische und wilde Tänze wie Shimmy und Charleston spiegelten dabei das neue Lebensgefühl im Tempo der Großstadt wider. Und man fand neue Begriffe für diese neuen Frauen: Die „Jazz-Babies“ und „Flapper“ waren geboren.

Die Filmreihe „Flapper, It-Girls, Funny Ladies“, die im Zeughauskino bis Dezember läuft, zollt den jungen Damen Tribut und präsentiert in einer der ersten Vorstellungen mit Clara Bow auch gleich eine Schauspielerin, die diese Ära im US-Kino nachhaltig prägte. Ihr Film „It“ (1927, R: Clarence G. Badger) mag vom Plot her nicht sonderlich emanzipiert klingen – Verkäuferin angelt sich einen Millionär –, doch darum geht es nur sekundär. Energie, Schlagfertigkeit, Witz und Charme der Hauptdarstellerin sind hier viel bedeutsamer, und davon besaß Clara Bow mehr als genug: Mit Bezug auf den Filmtitel rief man sie zum „It-Girl“ aus. (18.9., 18 Uhr, Zeughauskino)

Vor ein paar Tagen verstarb mit Jean-Paul Belmondo eine echte Legende des europäischen Kinos im Alter von 88 Jahren. Und auch, wenn man den französischen Schauspieler in späteren Jahren vielleicht eher mit leichtgewichtigen Abenteuerkomödien assoziierte, ist sein Name doch auch untrennbar mit der Nouvelle Vague (er drehte mit Godard, Truffaut, Marcel Ophüls und Alain Resnais) und einem der besten Filme von Jean-Pierre Melville („Le doulos“, 1962) verbunden.

Denn Belmondo besaß nicht nur einen Sinn fürs Kommerzielle, sondern auch für Qualität. Dass ihn das Babylon Mitte jetzt mit Jean-Luc Godards „A bout de souffle“ („Außer Atem“), seinem internationalen Durchbruchsfilm von 1959 ehrt, ist vielleicht nicht superoriginell, aber würdig. Der amoralische Held und Gauner Michel Poiccard mit der zerknautschten Visage, der eher beiläufig einen Polizisten erschießt, und mit der Amerikanerin Patricia (Jean Seberg) durch die Betten tollt, machte ihn zum Superstar eines neuen europäischen Kinos. (Om engl. U, 16.9., 18.9., 19.30 Uhr, 17.9., 21.9., 20 Uhr, 19.9., 17.45 Uhr, Babylon Mitte)

Einen Tag der offenen Tür veranstaltet die Deutsche Kinemathek Museum für Film und Fernsehen am 19. September unter dem Titel „Open Kinemathek“. In der Zeit zwischen 10 und 20 Uhr bietet die Kinemathek vielerlei interessante Veranstaltungen zum Nulltarif: Dazu gehören neben einem Freiluftkino im Sony Center mit Vorstellungen der deutschen Stummfilmklassiker „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ und „Menschen am Sonntag“ auch eine Drehbuchlesung mit Welket Bungué, dem Star aus der Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“ oder eine Diskussion mit dem Klimaforscher Anders Levermann über das Thema Klimawandel und Dokumentarfilm. Für alle Veranstaltungen gelten die aktuellen Coronaregeln, und die Buchung eines Zeitfenstertickets ist zwingend notwendig. (19.9., 10-20 Uhr, Deutsche Kinemathek)

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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