Mehr wehrhafte Demokratie wagen

Der AfD-nahen Erasmus-Stiftung stehen mit dem Wiedereinzug der Partei in den Bundestag Förderungen zu. Staatliche Zahlungen per Gesetz zu verhindern, ist laut Politikwissenschaftlern verfassungswidrig. Sie fordern stattdessen eine neue Demokratieförderung

Die neue AfD-Fraktion ist zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Ihren Vorsitz wählte die Fraktion erst am Mittwochabend nach Redaktionsschluss. Martin Renner und Dirk Spaniel, Abgeordnete mit Nähe zur völkischen Strömung der AfD, probten im Vorfeld den Aufstand gegen die alte Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, die eigentlich im Duo mit Tino Chrupalla antreten wollte. Renner und Spaniel schlugen eine Änderung der Arbeitsordnung vor und wollten so forcieren, dass lediglich Chrupalla den Fraktionsvorsitz innehaben solle. Die letzte Fraktion führten Alexander Gauland, der den Aufstieg des angeblich aufgelösten rechtsextremen Flügels begünstigte, sowie Weidel mit nationalistisch-neoliberaler Ausrichtung. Der Änderungsantrag spricht dafür, dass das völkische Lager Weidel absägen wollte. (taz)

Von Gareth Joswig

Die Politikwissenschaftler Claus Leggewie und Erik Meyer kommen in einem der taz vorliegenden Positionspapier zum Schluss, dass es rechtlich schwierig sein dürfte, der parteinahen Sitftung der AfD staatliche Fördermittel vorzuenthalten. Der Desiderius Erasmus-Stiftung stehen nach geltender Praxis mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag Fördermittel in Millionenhöhe zu – wie auch den anderen parteinahen Stiftungen. Eine zivilgesellschaftliche Initiative fordert deswegen derzeit, der AfD per Stiftungsgesetz mit einer Art Demokratie-Tüv das Geld vorzuenthalten.

Ein entsprechender Gesetzesvorschlag von Volker Beck (Grüne) verstößt laut Leggewie und Meyer allerdings gegen das Prinzip der Programmautonomie und der Chancengleichheit aller politischen Parteien. Mit ihrem Papier schalten sich die Wissenschaftler von der Uni Gießen in die Debatte um die Finanzierung der Erasmus-Stiftung ein. Statt auf einen rechtlich schwer zu begründenden Ausschluss zu setzen, fordern sie, mit einem Stiftungsgesetz Demokratieförderung neu zu rahmen und die Qualität der Bildungsarbeit aller politischen Stiftungen künftig nach klaren Kriterien zu überprüfen.

Die Auseinandersetzung mit der „Neuen Rechten“ muss laut Leggewie und Meyer politisch-argumentativ geführt werden – solange die AfD und einzelne Vertreter nicht strafbare Delikte wie Volksverhetzung oder gezielte Desinformation begehen. „Das ist kein Persilschein für antidemokratische Agitation, sondern ein konsequent demokratischer Umgang mit der Meinungsfreiheit, der auch mit Gegnern der repräsentativen Demokratie geübt werden muss“, heißt es. Darüber, wie Demokratieförderung in diesem Sinne aussehen soll, müsse in den nun beginnenden Koalitionsverhandlungen diskutiert werden – sie riefen auch Fachkol­le­g*in­nen aus der politischen Bildung dazu auf, sich an der Debatte zu beteiligen.

Die AfD-nahe Erasmus-Stiftung rechnet mit rund 8 Millionen Euro im ersten Jahr und mit einem zweistelligen Millionenbetrag ab dem zweiten Förderjahr. Sie will damit unter anderem ein Stipendienprogramm aufsetzen sowie „Bildungsangebote“ an Schulen und Unis durchführen. Die breit aufgestellte zivilgesellschaftliche Ini­tiative „Stiftungstrick der AfD“ befürchtet hierdurch staatlich finanzierte extrem rechte Kaderbildung und einen „Marsch durch die Institutionen“ der Neuen Rechten. Der von der Ini­tiative geforderte Demokratie-Tüv soll die AfD-Stiftung ausschließen, in dem er eine Förderung an die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Extremismusdoktrin knüpft.

Leggewie und Meyer stimmen zwar in der inhaltlichen Bewertung von Erasmus-Stiftung und der AfD über deren antidemokratische Ziele weitgehend überein. Sie sehen aber nicht zuletzt ein Stiftungsgesetz auf Grundlage der Extremismusdoktrin als zum Scheitern verurteilt: „Der AfD-Stiftung Globalzuweisungen unter Berufung auf ihre vermeintlich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten politischen Ziele zu verweigern, wäre evident verfassungswidrig.“ Vor allem könne ein solcher Ausschluss sich nicht auf geheimdienstliche Überwachung stützen, zumal eine Verfassungsfeindlichkeit erst nachgewiesen werden müsse und noch nicht viel über die konkrete Arbeit der formell unabhängigen Stiftung bekannt sei.

Auf Rückfrage der taz, wie eine neue wehrhafte Demokratieförderung konkret aussehen könne, sagte Leggewie: „Wir brauchen praktische Förderung demokratischer Instrumente. Wir diskutieren schon länger über Bürgerräte und Zukunftsräte, solchen Initiativen fehlt allerdings die finanzielle Infrastruktur.“