„Das wird wie Disneyland für dich“

Wie ist es, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten? Wir haben einen Komiker und eine Sängerin gefragt

Ein Hauch von Las Vegas: Blick ins Innere der „MSC Seaside“, die 5.300 Passagiere fasst Foto: imago

Protokolle Sarah Mahlberg

Wenn ich als Kind im Zirkus war und es kamen die Clowns, dann fand ich das schon immer geil. Ich wollte das selbst machen, habe aber erst Musik auf Lehramt studiert. Bei meinen Eltern stieß es auf nicht allzu großes Verständnis, dass ich Lehramt studiere, um dann Clown zu werden. Aber ich fand es toll, wenn Leute über mich lachen und ich sie von Alltagssorgen ein bisschen ablenken konnte.

Zum Kreuzfahrtschiff sind wir im Grunde durch Corona gekommen. Theater hatten zu, Festivals fanden nicht statt, deshalb sind wir im letzten Herbst mit einem Kreuzfahrtschiff drei Wochen auf Tour gewesen. Wir, das sind mein Sohn und ich. Ich arbeite als Clown und mein Sohn als Zauberer. Zusammen sind wir „die Buschs“ zwei clownesque Kunstfiguren. Wir lassen es auf der Bühne schneien, machen Musik mit Flaschen, Luftpumpen oder Wäscheständern und holen uns Zuschauer als Assistenten dazu. Diese enge Zusammenarbeit mit dem Publikum ging in den letzten Monaten nicht, also mussten wir uns etwas Neues ausdenken.

Das Kreuzfahrtschiff war im Lockdown einer der wenigen Orte, an denen Kultur noch präsent war. Nicht die ganze Zeit natürlich, aber die Schiffe kehrten früher in den Betrieb zurück als klassische Theater. Wir sind Gastkünstler, ein paar Wochen an Bord, dann wieder am Land unterwegs. Ich kenne eigentlich kaum noch Künstler, die exklusiv nur auf dem Schiff arbeiten. Gebrieft wird man vorher ausführlich an Land. Der Produzent der Show legt zum Beispiel nicht mit ab und instruiert uns vorher so gründlich, dass wir aufs Schiff gehen und im Grunde direkt loslegen können.

Wenn man an Bord auftritt, macht es kaum einen Unterschied zum Land. Am selben Abend hat man sich noch an das schwankende Schiff gewöhnt, technisch ist der Theaterraum auf dem Schiff besser ausgestattet als manches Theater an Land. Das Publikum ist so durchmischt, wie wir es von unseren Shows an Land kennen. Mittlerweile sind auch viele junge Leute auf dem Schiff, Kreuzfahrten sind ja längst nicht mehr so teuer, wie man denkt.

Leute auf die Bühne holen konnten wir bei unseren Shows nicht, aber wir haben behandschuht Glocken ins Publikum gereicht, um so gemeinsam Musik zu machen. Die ersten Reihen im Theater müssen derzeit leer bleiben, deshalb mussten unsere Gestiken etwas ausladender werden. Das Kreuzfahrtschiff war für uns ein Ort, um an unserer Performance zu feilen und ein bisschen zu experimentieren. Durch die strengen Auflagen war das Publikum deutlich kleiner als sonst, ungefähr 300 Menschen haben uns zugeschaut. Aber zumindest konnten wir auftreten.

Die Kunst ist auf dem Kreuzfahrtschiff im Preis inbegriffen Foto: imago

Das Schiff ist auf jeden Fall ein schöner Arbeitsplatz mit Blick auf die See, aber ich habe da keinen Urlaub gemacht. Tagsüber habe ich Bürokram erledigt, wie an einem ganz normalen Arbeitstag. Ich würde auch nicht nur für den Ausblick und die Erfahrung aufs Schiff gehen. Ich bin zwar Künstler, muss aber auch unternehmerisch denken. Wenn uns Anfragen erreichen, prüfe ich immer, ob das finanziell passt. Und wir müssen die Zeit haben, ein paar Wochen auf See zu sein, meistens sind wir bis zu zwei Jahre im Voraus ausgebucht.

Ich mache seit 35 Jahren Shows und habe schon an allen möglichen Orten gearbeitet, auf großen Festivals, in Theatern bis hin zu kleinen Straßenkunstprojekten. Unsere Kunst ist nicht auf Sprache basiert, deshalb können wir überall tournieren. Unseren Sitz haben wir in Erfurt, da waren wir aber vergleichsweise selten auf der Bühne. Das Schiff ist auf jeden Fall nicht der absurdeste Arbeitsplatz für mich. Wir haben auch mal als verrückte Kapitäne in einem Flugzeug performt, während dieses von Stuttgart in die Tschechei flog. Eigentlich fällt mir kein Umfeld ein, wo wir noch nicht aufgetreten sind. Wir werden aber auch nicht zum letzten Mal auf See gewesen sein. Jetzt im Herbst geht es schon wieder los für uns.

Bernd Busch, Clown, ist Teil des Komikerduos „die Buschs“ und wohnt, wenn er nicht auf Tournee ist, in Erfurt.

Zum ersten Mal habe ich 2011 auf einem Schiff gearbeitet. Fünf Monate war ich unterwegs und bin abends als Sängerin aufgetreten. Zum Glück werde ich nicht leicht seekrank. Wenn viel Wellengang war, habe ich mich aber auch mal komisch gefühlt, vor allem auf Luxusdampfern, die kleiner sind und stärker schaukeln. Die Zeit an Bord war anstrengend, weil ich jeden Tag gearbeitet habe, ohne Wochenende. Das kannte ich vom Land nicht, da hatte ich montags und dienstags frei.

Ich habe aber auch tolle Erfahrungen gemacht. Auf so einem Schiff arbeiten Menschen aus circa 50 Nationalitäten. Die lernt man so eng kennen wie andere Menschen im ganzen Leben nicht. Fünf Monate lang haben wir uns jeden Tag gesehen und viel von uns preisgegeben. Wenn man Kabine an Kabine wohnt, kann sich niemand verstecken. Ich habe in dieser Zeit Freunde fürs Leben gefunden, in Brasilien, Italien, mit denen ich heute noch mit am engsten befreundet bin.

Findet die Arbeit auf Kreuzfahrtschiffen gar nicht so exotisch: Bernd Busch (links, mit Sohn Andreas) Foto: Foto Alexander Knobl

Weil ich so lange mitgefahren bin, hatte ich Crew-Status. An Bord herrschten schon krasse Hierarchien damals, Crewmitglieder sollten in ihrer Freizeit zum Beispiel nicht mit Gästen abhängen. Aber die Arbeit mit dem Ensemble war auch toll. Ich hatte jeden Tag Show mit Riesenbühnenbild, tollen Kostümen und einfach einer wahnsinnigen Ausstattung an Bord. Eine Zeit lang bin ich immer wieder mal für fünf Monate an Bord gegangen.

Dass ich das mal ausprobieren wollte, wurde mir eigentlich schon in meinem Musical-Studium klar, weil ich immer gerne gereist bin. Als Künstlerin auf dem Schiff geht es einem ziemlich gut. Tagsüber hat man frei, kann rausgehen, sich die Welt angucken, abends ist Show. Andere Crewmitglieder haben nicht so viel von der Welt gesehen wie ich, die haben stellenweise vierzehn Stunden am Tag geackert, da war ich auf jeden Fall privilegiert.

Trotzdem habe ich es dann viele Jahre nicht mehr gemacht. Ein Grund war, dass so lange Verträge mit einem parallelen Künstlerdasein an Land schwer vereinbar waren. Nach fünf Monaten auf See nach Hause zurückzukehren, ist schwierig. In einem Job, in dem man netzwerken muss, so lange weg zu sein, bedeutet, immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Alle Bands und Musikpartner haben sich nach so langer Zeit schon etwas Neues gesucht, ich war monatelang bei keinen Castings und Auditions und musste immer wieder neu connecten. Deshalb die Frage: Will ich immer auf See arbeiten oder lasse ich es ganz?

Auf dem Schiff ist es toll, dass die Leute immer wieder kommen, deine Shows schon kennen und allgemein eine größere Vertrautheit herrscht. Aber natürlich zahlen sie nicht extra Eintritt dafür, sondern bekommen das Angebot vorgesetzt und gehen entweder hin oder nicht, das spürt man in der Erwartungshaltung der Gäste.

Fand an Bord Freunde fürs Leben: Sängerin Karina Klüber Foto: privat

Ich habe mich dann für einige Jahre für die Arbeit an Land entschieden, auch weil ich die Kreuzfahrten mit meinem Klimabewusstsein nicht mehr vereinbaren konnte. Eigentlich möchte ich einen so kleinen Fußabdruck wie möglich hinterlassen. Inzwischen fahre ich aber wieder mit. Die Schiffe, mit denen ich heute fahre, sind alle brandneu und stoßen deutlich weniger Emissionen aus als früher. Das ist schon mal ein Schritt in die bessere Richtung. Und es war während der Pandemie lange Zeit die einzige Möglichkeit für mich, wieder auf einer Bühne zu stehen. Künstlerisch war lange Zeit nichts mehr super an Land.

Neu sind außerdem die Gastverträge, mit denen ich nur einige Wochen an Bord mitfahre und die mit meinen Aufträgen an Land besser vereinbar sind. Die gab es vor Corona nur für Superstars wie Helene Fischer, heute ist es die Regel. Für mich ist das toll, weil ich als Popschlagersängerin auch Solo-Programme machen kann. Früher hatte ich Ensembles und Tänzer an meiner Seite. Denen wurde pandemiebedingt gekündigt, insofern machen die Gastverträge die Lage vieler Künstler auch einfach prekärer. Für mich als Sängerin ist sie deutlich besser. Ich mache meine eigene Mucke an Bord, aber auch ein Judy-Garland-Programm, singe Evergreens der 50er bis 70er und will in Zukunft auch mit einem Magier zusammenarbeiten. Da werde ich Queen oder Sarah Connor singen, habe also viel Variation.

Auch in so kurzer Zeit konnte ich Freundschaften schließen. Die Künstler sind gerade einfach froh und dankbar, nach so langer Zeit wieder auf einer Bühne stehen zu können. Das Ellenbogengehabe von früher ist weitgehend weggefallen und alle waren sehr weich zueinander. Mein Kollege war in dieser Zeit zum ersten Mal auf einem Kreuzfahrtschiff. Ich habe ihm vorher gesagt: „Das wird wie Disneyland für dich.“ Und tatsächlich war es die komplette Reizüberflutung für ihn. Zauberer, Restaurants, Spa, ein Pool, noch ein Pool, Yogakurse, Sport­arena, Vorträge über Nautik oder die Länder, die man besucht. All das kann schon ziemlich überwältigend sein, wenn man das nicht kennt. Manche Leute sind aber auch richtig kreuzfahrtsüchtig und kommen immer wieder. Es ist halt bequem, alles vor der Nase zu haben. Und man sieht viele Orte und nicht nur einen. Das ist vielleicht auch ein deutsches Ding, Länder so abhaken zu wollen.

Privat auf Kreuzfahrt gehen, würde ich trotzdem nicht mehr. Ich kenne jetzt die Arbeit hinter den Kulissen. Da ist der Zauber verloren.

Karina Klüber, 33, ist Sängerin, Schauspielerin und Sprecherin und wohnt in Berlin