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Die Geschädigten im Blick

Mediation hat sich als Alternative zu Gerichtsprozessen etabliert. Dabei finden Konflikt-parteien oft schnell zu Lösungen und die Bedürfnisse von Geschädigten sind im Fokus

Bei der Mediation sollen die Konfliktparteien selbst zu einer Lösung kommen Foto: Andreas Arnold/dpa

Von Selma Hornbacher-Schönleber

Ju­ris­t*in­nen werden traditionell dazu ausgebildet, Konflikte vor Gericht zu klären – inzwischen wird ihnen aber schon im Studium eine Alternative nahegebracht: die Mediation. Sie soll helfen, die Schwächen des Justizsystems auszugleichen.

In Gerichtsprozessen streiten entweder zwei private Konfliktparteien oder aber eine Privatperson steht dem Staat gegenüber. Da die gesetzliche Entscheidungsgrundlage dabei allgemein gehalten ist, können die individuellen Bedürfnisse und Interessen der Konfliktparteien oder Geschädigten oft nicht umfassend berücksichtigt werden. Der Prozess kann außerdem das Verhältnis der Konfliktparteien zusätzlich belasten. Das ist besonders nachteilig, wenn eine Weiterführung der Beziehungen eigentlich gewünscht ist, etwa nach Familien- oder Wirtschaftsstreitigkeiten.

Mediation stellt eine Alternative zu solchen Gerichtsprozessen dar – einerseits als Mediation in Strafsachen und andererseits als außergerichtliche Mediation in zivilen Angelegenheiten. Bei der außergerichtlichen Mediation suchen zwei Konfliktparteien mithilfe einer mittelnden Partei nach einer Lösung. Oft geht es um Arbeitsstreitigkeiten oder Familienkonflikte. Ziel ist, dass die Betroffenen selbst eine Antwort finden. Me­dia­to­r*in­nen unterstützen dabei und moderieren das Gespräch. Solche Mediationsverfahren werden in der Regel privat organisiert und bezahlt, führen aber im Vergleich zu Gerichtsverfahren oft vergleichsweise günstig und schnell zu Lösungen.

„Mediation ist erst mal ein strukturiertes Gespräch“, erklärt Frank Beckmann von der „Mediationsstelle Brückenschlag e. V.“. Kern der Mediationsausbildung sei es, solche Gespräche zu moderieren. Zuerst werden Rahmenbedingungen der Mediation geklärt, dann widme man sich den Konfliktparteien, ihren Wahrnehmungen sowie ihren Interessen und Bedürfnissen. „Wenn das gut herausgearbeitet wird“, so Beckmann, „ist es oft durchaus möglich, diese verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bekommen.“

Wer Me­dia­to­r*in werden will, muss eine oder mehrere Weiterbildungen absolvieren, etwa an der Bremer oder Hamburger Universität. Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss oder eine weiterführende Berufsausbildung. Die Ausbildung ist fachübergreifend: An­wäl­t*in­nen nehmen daran genauso teil wie Pädagog*innen. „Es gibt ganz unterschiedliche Einsatzgebiete“, erklärt Beckmann. Ein ehemaliger Ausbildungsteilnehmer sei Anwalt mit Schwerpunkt auf Familienrecht und habe seinen Kli­en­t*in­nen eine Alternative zu Gerichtsverfahren bieten wollen. Aber auch bei Konflikten in anderen juristischen Arbeitsfeldern, beispielsweise im Personalwesen, bieten sich Mediationsverfahren an.

Demgegenüber geht es in der Mediation in Strafsachen nicht nur um eine ausgeglichene Konfliktlösung, sondern um Wiedergutmachung für Geschädigte. Dies findet oft im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA) statt. Die Grundidee, erklärt André Hilbers vom „Verein Täter-Opfer-Ausgleich Bremen e. V.“, sei es, den Geschädigten eine Rolle in Strafverfahren zu geben. Statt nur die Schuld und das Strafmaß für die Beschuldigten festzulegen, sollen die Bedürfnisse der Geschädigten im Fokus stehen. Genau das ist in klassischen Strafverfahren nicht der Fall: Straftaten werden in erster Linie als Angriff auf die Souveränität des Staats behandelt, die eigentlich Geschädigten treten nur als Zeu­g*in­nen oder Ne­ben­klä­ge­r*in­nen auf.

Um diese Lücke zu füllen, wurde nach mehreren Modellprojekten 1994 bundesweit der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) gesetzlich verankert. Ziel ist eine umfassende Konfliktlösung, weshalb auch von „Restorative Justice“, also im weitesten Sinne von wiederherstellender Justiz, gesprochen wird. Frank Winter, ebenfalls vom TOA Bremen, weist darauf hin, dass Maßnahmen der „Restorative Justice“, etwa in Form solcher außergerichtlicher Konfliktregelungen, nicht notwendig ein juristisches Praxisfeld seien: Im Bremer TOA arbeiten neben drei Juristen auch Me­dia­to­r*in­nen aus der Psychologie und Ehrenamtliche aus anderen Berufsfeldern. Wer welchen Fall übernimmt, hängt vom Stadtteil ab.

„Es gibt ganz unterschiedliche Einsatzgebiete“

Frank Beckmann, Mediator

Grundsätzlich muss in allen Strafverfahren geprüft werden, ob ein TOA möglich ist. Im Grunde genommen, so Hilbers, kann ­– und soll – die Polizei damit bereits bei der Sachverhaltsaufnahme beginnen. Wird ein Fall für den TOA vorgeschlagen, kontaktiert der Verein zunächst die beschuldigte Person, um deren Bereitschaft und Empathievermögen zu klären. Erst danach wird die betroffene Person angefragt.

Häufig sind es Körperverletzungen, die im TOA behandelt werden. Grundsätzlich ist aber kein Fall ausgeschlossen. Da Betroffene und Beschuldigte oft die Möglichkeit des TOA nicht kennen, komme es auf die Beschäftigten in Polizei und Justiz an, diese Option einzubringen, so Hilbers. „Und wenn die eher an die traditionelle Justiz glauben oder nichts von TOA halten, passiert das eben nicht.“

Dabei sei das Verfahren durchaus für schwerere Straftaten geeignet. Wenn Po­li­zis­t*in­nen aber bestimmte Tä­te­r*in­nen kategorisch nicht für den TOA vorschlagen, schade dies in erster Linie den Geschädigten. „Die suchen sich ihre Täter ja nicht aus.“ Um den Interessen der Geschädigten gerecht zu werden, stelle ein TOA in jedem Fall eine Ergänzung, manchmal sogar einen Ersatz zu den Straf­instrumenten eines Gerichtsverfahrens dar.

Auch empirisch zeigt sich: Mediation kann eine Alternative bieten, gerade im Strafrecht. Laut einer Auswertung des Bundesjustizministeriums (BMJV) aus dem Jahr 2018 stimmten drei Viertel der Geschädigten und über 80 Prozent der Beschuldigten einem TOA zu. Ob der gelingt, hängt vor allem von der Art und Schwere der Straftat ab. Im Bereich Raub und Erpressung liegt die Erfolgsquote bei über 90 Prozent. Im zivilen Bereich wird Mediation, so ein Bericht des BMJV aus dem Jahr 2017, eher selten genutzt. Ob sich dieses Verfahren künftig weiter etablieren wird, ist noch nicht abzusehen.

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