Linke in FHX will mehr tun

Sicherstellung von Wohnungen vor Zwangsräumung darf kein Tabu sein, sagen Oliver Nöll und Pascal Meiser

Von Susanne Memarnia
und Manuela Heim

Die Linken in Friedrichshain-Kreuzberg wollen im Kampf gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit einen Gang zulegen. Wie der Kandidat für das Amt des Bezirksbürgermeisters, Oliver Nöll, am Mittwoch der taz erklärte, gehört für ihn dazu auch, das scharfe Schwert der „Sicherstellung“ endlich einzusetzen. „Die Bezirke sollten prüfen, ob nicht bei drohender Zwangsräumung die Sicherstellung einer Wohnung möglich ist“, so Nöll. Eine solche „Beschlagnahmung“, wie der Volksmund sagt, könne juristischen Bestand haben – wenn sie temporär bliebe. Diese Zeit könnten Bezirke nutzen, um mit dem Vermieter über die Erneuerung des Mietverhältnisses zu verhandeln.

Der Linke-Kandidat für den Bundestagsbezirk, Pascal Meiser, ergänzte, eine solche Sicherstellung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit würde zwar kaum zum Regelfall werden können, aber als „Härtefall im Einzelnen“ könnte es durchaus von Richtern anerkannt werden,. „Wir denken, dass das auf jeden Fall getestet werden sollte“, so Meiser.

Die Frage, ob und wie Wohnraum zur Vermeidung von Obdachlosigkeit „sichergestellt“ werden kann, wird schon lange diskutiert. 2015/16 hat das Land Turnhallen für die Unterbringung Geflüchteter beschlagnahmt, rechtliche Grundlage war das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG). Die Sicherstellung von privaten Wohnungen oder Häusern wurde in Berlin allerdings noch nie versucht. Ein juristisches Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhauses, das die Linksfraktion 2019 in Auftrag gegeben hatte, blieb skeptisch, ob dies juristisch möglich sei.

Aber auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke), sagt, dass die Beschlagnahmung von Wohnraum bei drohender Obdachlosigkeit kein Tabu sein dürfe. Im Masterplan, den sie vor knapp zwei Wochen vorstellte, ist vorgesehen, dass von den Senatsverwaltungen für Soziales, Inneres und Justiz ein Handlungsleitfaden für die Bezirke zu erarbeiten sei, um ein stadtweit einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Bis 2024 soll außerdem eine Anpassung des ASOG zur Erleichterung der ordnungsrechtlichen Sicherstellung von Wohnungen für besonders schutzbedürftige Personen geprüft werden.

Als weitere Maßnahmen zur Prävention von Wohnungslosigkeit will Nöll, dessen Partei in Umfragen derzeit nur 3 bis 4 Prozent hinter den Grünen liegt, auch die bezirklichen Wohnhilfen stärken, sodass sie Menschen, die von Zwangsräumung bedroht sind, selber aufsuchen und Hilfe anbieten können. „Die Menschen schämen sich oft und gehen viel zu spät zum Amt“, sagte er.

Zudem werde er sich auch dafür einsetzen, im Bezirk eine weitere Fläche für einen Safe Place zu schaffen – also einen Ort, wo Obdachlose sicher leben können. Eine solche Fläche soll am Containerbahnhof am Frankfurter Tor entstehen, ist aber bislang nicht realisiert.