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Laschets Waldgate

Die Räumung des Hambacher Waldes war illegal. Es ist nicht die einzige Rechtsbeugung, die Gerichte der Regierung von Armin Laschet in NRW attestieren

„Er hat die Polizei missbraucht, um RWE-Interessen gegen Klimaschutz durchzusetzen“

Oliver Krischer, Grüne

Aus Aachen Bernd Müllender

In schneller Folge bekommt die NRW-Landesregierung und vorneweg ihr Chef Armin Laschet derzeit ihre Politik um die Ohren gehauen. Erst das Steinkohlekraftwerk Datteln IV: Bebauungsplan unwirksam, urteilte vor sechs Wochen das Oberverwaltungsgericht Münster, auf gut Deutsch: ein Schwarzbau. Jetzt ein politisch noch heftigerer Paukenschlag: Die Räumung des Hambacher Waldes 2018 war rechtswidrig, urteilte das Verwaltungsgericht Köln am späten Mittwoch. Die fantasiereich konstruierte Begründung Brandschutz war nur vorgeschoben, so das Gericht. Kurz: illegal.

Tausende PolizistInnen im Wald, der teuerste Einsatz in der Geschichte NRWs, teils monatelange Untersuchungshaft für mehr als ein Dutzend Menschen, Traumata, Zerstörung, Leid und Wut – alles ohne rechtliche Grundlage. Und kaum waren die BesetzerInnen damals gewaltsam aus den Baumkronen gepflückt, verfügte das OVG Münster den RWE-Klimakillern einen Rodungsstopp. Die Kommentare auch in Laschet sonst wohlgesonnenen Blättern lauteten „Blamage mit Ansage“ oder „Öffentlichkeit für dumm verkauft“ oder „skandalöse Rechtsbeugung“.

Dabei wusste Armin Laschet, der Kandidat, genau was er tat. Als er sich vor Monaten in geschützter Umgebung Wohlwollender wähnte, sagte er: „Ich brauchte doch einen Vorwand.“ Das wurde flugs veröffentlicht. Parallel stilisierte sich Laschet persönlich zum Retter des Hambis. Rechts und links des Waldes wird bis heute weiter vernichtet. Für den Tagebau Garzweiler, 30 Kilometer nördlich von Hambach, steht noch im Herbst das nächste Urteil an: Ob es rechtskonform ist, eine Familie zu enteignen und zu vertreiben, damit die Braunkohlebagger weitermachen können. Darüber brütet derzeit das Verwaltungsgericht Aachen.

Am Mittwoch stellte die Klima Allianz Deutschland ein Rechtsgutachten von Professor Thomas Schomerus der Universität Lüneburg vor, nach dem der eigens eingefügte Garzweiler-Paragraf im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz „evident unsachlich“ sei. Der Passus erklärt Garzweiler zum exklusiv notwendigen Abbaugebiet. Rechtswidrig, so Schomerus: Eine solche „gesetzliche Bedarfsfeststellung bedarf einer belastbaren Begründung“, die liege erkennbar nicht vor: Willkür.

Am Mittwochabend wollte die taz von den drei maßgeblich Verantwortlichen – Laschet, Innenminister Herbert Reul, Bauministerin Ina Scharrenbach (alle CDU) – wissen, wie sie das Urteil einschätzen. Geantwortet hat nur ein Sprecher von Innenminister Reul, man sei „überrascht“. Die beiden anderen schwiegen bis Redaktionsschluss. Der NRW-Grüne Oliver Krischer nennt Armin Laschet jetzt einen „bereitwilligen Büttel“ von RWE. Er habe „die Polizei missbraucht, um die Konzerninteressen gegen Klimaschutz durchzusetzen“.

Beklagte beim VG Köln war die Stadt Kerpen. Sie führte die Räumung auf Geheiß der Regierung als Handlangerin durch, weil man sich selbst die Finger nicht schmutzig machen wollte. Ob die Stadt Berufung einlegen will? Bislang gab es keine Antwort aus dem Kerpener Rathaus.

Die Kölner Entscheidung wird noch eine andere Folge haben. Sie ist ein massives Pfund für Schadenersatzforderungen, nicht nur für den Kläger selbst, einen ehemaligen Baumhausbewohner, sondern auch für die Hunderten MitstreiterInnen von damals. Zerstörte Häuser, alles Inventar, Technik, Kletterausrüstung, auch Schmerzensgeld. Hoffentlich haben die Opfer die Quittungen aufgehoben. Rechnungen über Feuerlöscher kämen besonders gut.

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