piwik no script img

galerie thomas schulteDas große Missverständnis

Maria Loboda, Listen to me, little pig!, Installationsansicht Foto: Stefan Haehnel, © Maria Loboda, 2021. Courtesy die Künstlerin und Galerie Thomas Schulte

Auch ohne Wissen um all die vielen kulturgeschichtlichen Anspielungen rührt Maria Lobodas Ausstellung in der Galerie Thomas Schulte in Mitte an irgendeinem tief sitzenden, schmerzenden Punkt unseres Kollektivbewusstseins. „Listen to me, little pig!“ ist ein fragmentarischer Garten im White Cube. Vor dem Panorama pastoraler Landschaftsmalereien – eigentlich sind es Ausdrucke von Gemälden des 18. und 19. Jahrhunderts, die sich als Public Domain des Metropolitan Museum of Art frei verwerten lassen – platziert Maria Loboda eine Reihe junger Obstbäume, zwei weitere zierliche Metallskulpturen werden von Wein- und Kiwigewächsen umrankt.

Es scheint, als würden in dieser sehr reduzierten Installation Menschgemachtes und Natur zaghaft aufeinandertreffen, doch kleine Disharmonien zeigen, dass es hier zwischen Natur und Mensch irgendwie ein Missverständnis gegeben haben muss: Bunt funkelnde Folienverpackungen am Fuß der Obstbäume und Textarbeiten an Wand und Bild sowie auf Sockeln verstören das feine Arrangement.

Letztere sind weit aus der westlichen Kulturgeschichte gegriffene Zitate, vom Mythos um den Zauberer Merlin etwa, vom gefallenen Engel Luzifer oder von jetztzeitlichen Noise-Tracks, die alle den menschlich-geistigen Versuch wiedergeben, die Kräfte der Natur zu deuten, aber in Fehldeutungen enden können.

„Listen to me, little pig!“ ist eine humorvolle Erinnerung daran, dass wir die Natur mit ihren sonderbaren Phänomenen nicht vollends begreifen können. Doch jetzt, wo außerhalb des White Cube die Naturkräfte in der menschgemachten Welt mit Unwettern, Hitze oder nicht zu bändigenden Viren ihre Wirkung zeigen, hinterlässt die Ausstellung auch ein Gefühl der Beklemmung.

Sophie Jung

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen