Blockieren schwer gemacht

Die Klimaaktionswoche „August Rise up“ startet mit einer Blockade am Brandenburger Tor. Den Aktivisten steht ein Polizeigroßaufgebot gegenüber. Ak­ti­vis­t*in­nen kleben sich mit Sekundenkleber am Asphalt fest

Entschlossen zu bleiben: Sitzblockade vor dem Brandenburger Tor Foto: Christian Mang/reuters

Von Timm Kühn
und Erik Peter

Ein Aktivist von Extinction Rebellion (XR) hat einen Fahnenmast hinter dem Brandenburger Tor erklommen und sich mit einem Seil befestigt. Etwa drei Meter unter ihm steht eine Traube Polizisten. Er solle herunterkommen, sonst riefen sie die Feuerwehr – diesen Einsatz müsse er dann zahlen. Während die Augen auf den jungen Klimaaktivisten gerichtet sind, rennen hinter ihm plötzlich aus allen Richtungen Menschen auf den Platz des 18. März in Berlin-Mitte. Überraschte Po­li­zis­t:in­nen versuchen noch ein, zwei von ihnen zu stoppen, doch nach wenigen Sekunden sitzen etwa 150 Menschen auf der Straße.

Kurz nach halb 11 Uhr hat die Klimaaktionswoche unter dem Motto „August Rise up“ damit begonnen. Seit dem Montagmorgen waren kleine Bezugsgruppen in Mitte unterwegs, schlenderten betont unauffällig über den Pariser Platz und waren doch am Kleidungsstil oder Aufnähern der Klimabewegung erkennbar. In der Ebertstraße kletterten Ak­ti­vis­t*in­nen auf zwei Bäume und spannten ein Transparent auf. Die angekündigte Blockade eines „symbolträchtigen Platzes“ hatte sich aber verschoben. Laut XR habe die Polizei ihnen Probleme bereitet. Wegen der Protestwoche sind die nächsten neun Tage sämtliche Berliner Einsatzhundertschaften im Dauereinsatz.

Parallel zur Straßenblockade hinter dem Brandenburger Tor schaffen es auch etwa 50 Menschen auf die Ebertstraße kurz vor der Behrensstraße. „Es ist einfach unerträglich, dass die Politik nicht dem wissenschaftlichen Konsens folgt“, sagt eine Aktivistin. „Da können Akte des zivilen Ungehorsams wie dieser in das Schweigen der Gesellschaft intervenieren“. Kurz darauf wird die Blockade wieder aufgelöst, ihr Zweck sei ohnehin nur gewesen, eine Ablenkung für die fast zeitgleich entstandene größere Blockade zu schaffen, so eine Protestierende.

In Redebeiträgen auf der Hauptblockade wird die „vollständig gescheiterte Klimapolitik“ der Bundesregierung kritisiert. „Wir können die Klimakrise ohnehin nicht mehr verhindern“, so die Rednerin. „Aber wir können uns noch vor dem Schlimmsten bewahren – wenn wir jetzt entschlossen handeln“, sagt sie weiter. Wie lange sie bleiben wollen? Bis der Klimakollaps gestoppt sei, sagt eine.

Gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Organisationen, Ortsgruppen von Fridays for Future, Sand im Getriebe oder Attac Berlin, hat Extinction Rebellion zu einer Woche des zivilen Ungehorsams gegen die Klimakrise aufgerufen. Bis zu 2.000 Teil­neh­me­r*in­nen sollten dafür von außerhalb nach Berlin anreisen, so die Schätzung im Vorfeld.

Welche Orte wann besetzt werden, kündigt das Bündnis aus naheliegenden Gründen nicht im Vorfeld an. Informiert wird stattdessen kurzfristig über einen Telegram-Kanal. Für Dienstag ist ab 15 Uhr vor den Parteizentralen von CDU und SPD außerdem eine größere Demonstration geplant.

Die Polizei hatte am Morgen aufgrund erwarteter Blockaden Au­to­fah­re­r:in­nen dazu aufgerufen, auf Bus und Bahn oder das Rad umzusteigen. Nur beobachten will sie das Geschehen dennoch nicht. Am Brandenburger Tor fordert sie schon nach kurzer Zeit dazu auf, die Straße zu verlassen und sich auf den Platz zu begeben, sonst würde man die Ak­ti­vis­t*in­nen wegtragen.

Einige Ak­ti­vis­t:in­nen klebten sich mit jeweils einer Hand auf der Straße fest. Ein anderer, der dies gerade versuchte, wurde von der Polizei verhaftet. Dabei kam es zu einer kurzen Rangelei. Nachdem die Person zu einem Polizeiwagen geführt worden war, konnte sie sich allerdings losreißen und unbehelligt davonrennen. Aufregung gab es auch, als Po­li­zis­t:in­nen versuchten, eine bereits festgeklebte Person wegzuzerren. Das hätte zu schweren Verletzungen führen können, so ein ebenfalls festgeklebter Aktivist.

Mit Spritzen und Lösemittel bewaffnet trennen Beamte die angeklebten Hände und Füße unter dem Protest der Ak­ti­vis­t:in­nen vom Asphalt. Von der angrenzenden Kundgebung hallen Solidaritätsbekundungen über die Straße. Derweil wird nebenan eine Kunstperformance durchgeführt.

Im Monbijoupark sitzen die Ak­ti­vis­t:in­nen in kleineren Gruppen zusammen. Auch hier spielen Protestierende Musikinstrumente und singen gemeinsam. In großen Buchstaben haben sie die Worte „Klima retten“ gebildet und im Park aufgestellt. Der Versuch, ein Baumhaus zu errichten, hat die Polizei vorerst unterbunden. Während einige Beamte um den Baum herum Wache halten, harrt ein Aktivist auf den Ästen aus. Auch in anderen Bäumen des Parks haben sich Menschen verschanzt.

Mit Spritzen und Lösemittel bewaffnet trennen Beamte die angeklebten Hände

Extinction Rebellion hatte angekündigt, im Park für mehrere Tage ein Protestcamp errichten zu wollen. Zunächst sah es nicht danach aus, die Polizei hatte schon bald die Eingänge zum Park hermetisch abgeriegelt. Bis Redaktionsschluss war es unklar, ob sie bleiben können.

Eine Versammlungsanmeldung werde derzeit geprüft, so Polizeisprecher Thilo Cablitz. Er erwähnte auch, dass zuvor am Vormittag zwei Transporter sichergestellt worden seien. In diesen habe sich für Blockaden geeignetes Material befunden, so Cablitz.

Extinction Rebellion hatte bereits im Oktober 2019 und 2020 bei Aktionswochen Straßenblockaden in Berlin organisiert. Konkret fordert das Bündnis die Einberufung eines Bürger:innenrats, der sich mit den notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klima­krise auseinandersetzen und bindende Beschlussempfehlungen abgeben soll.

Das Konzept sieht vor, per Los eine näherungsweise repräsentative Auswahl der Bevölkerung zu ermitteln, die sich anschließend umfassend von Ex­per­t:in­nen und Betroffenen beraten lässt.

Das Klimabündnis hofft deshalb, dass informierte Bür­ge­r:in­nen – im Gegensatz zur als in den Händen der fossilen Lobby begriffenen Politik – ausreichend radikale Klimaschutzmaßnahmen beschließen würden. Regierungen als solche könne das Konzept aber nicht ersetzen, so das Forderungspapier.