piwik no script img

In der Teilzeitfalle

200 Psychologie-Studierende in Teilzeit bangen um ihre berufliche Zukunft. Die Uni hat eine Studienordnung reformiert und die Gruppe dabei nicht berücksichtigt. Eine notwendige Nachqualifizierung will der Senat bisher nicht zahlen

Von Petra Schellen

Eigentlich ist es einleuchtend: dass Psychologie etwas sub­stanziell anderes ist als Medizin. Dass es da stärker ums Individuelle, um die Kenntnis von Milieus und Jargons, um Diversität, kurz: um Lebenserfahrung geht als bei einem Chirurgen, der „nur“ wissen muss, wo die Leber liegt. Und weil das so ist, bietet Hamburgs Universität – als eine von sieben in Deutschland – ein Teilzeitstudium der Psychologie an: damit auch Eltern, pflegende Angehörige, Beeinträchtigte, Berufstätige diesen Weg einschlagen können.

Zu kurze Übergangsfrist

Und genau sie – rund 200 Studierende, die vor dem Wintersemester 2020 begannen – drohen jetzt an zu kurzen Übergangsfristen zur neuen, reformierten Studienordnung zu scheitern. Dabei ist die Reform klug gedacht: Bislang folgen auf ein dreijähriges Bachelor- und ein zweijähriges Masterstudium eine psychotherapeutische Ausbildung, die in Vollzeit – je nach Spezialisierung – drei bis fünf Jahre dauert. Da man sie aber selbst finanzieren muss, wird sie meist in Teilzeit absolviert und dauert bis zu zehn Jahre. Erst danach bekam man bislang die Approbation.

Im neuen System kommt die Approbationsprüfung direkt nach dem Masterstudium. Es folgt eine fünfjährige psychotherapeutische Weiterbildung mit Festanstellung und tariflicher Bezahlung. Dieses neue System wird nach und nach implementiert. Aber wer bis 2032 – im Härtefall bis 2035 – im alten System nicht fertig ist, kann nicht PsychotherapeutIn werden.

Das Besondere in Hamburg ist nun, dass auch das Bachelor- und Masterstudium in Teilzeit absolviert werden können. Die drei „regulären“ Bachelor-Jahre können sich also auf fünf bis sechs erhöhen. Wer im Sommersemester 2020 als TeilzeitstudentIn im alten System begann, schafft bis 2025 vermutlich den Bachelor. Danach folgen eventuelle Wartejahre auf einen der raren Master-Studienplätze sowie das Masterstudium. Da etliche psychologische Institute aber nach 2025 keinen Ausbildungsstart mehr im alten System anbieten wollen, die betroffenen Teilzeitstudierenden bis dahin aber nicht Bachelor plus Master schaffen, werden sie ihr Studium nicht abschließen können.

Kampf seit einem Jahr

Das ist an sich kein Problem, weil sie nach dem Bachelor ins neue System wechseln können. Dafür brauchen sie aber eine Nachqualifizierung: Zusatzkurse, für die Lehraufträge erteilt und Räume gestellt werden müssten. Andere Unis haben das umgesetzt, Hamburg nicht. „Seit einem Jahr kämpfen wir für die Nachqualifizierung“, sagt Lena Schulte vom Fachschaftsrat Psychologie. „Die Verantwortlichkeit wird zwischen der Wissenschaftsbehörde und der Uni hin- und hergeschoben.“

Konkret gehe es laut Berechnungen des Bundes um rund 3.000 Euro pro Studierendem, sagt Universitäts-Vizepräsidentin Susanne Rupp. Für 200 Studierende käme man also auf einmalig 600.000 Euro.

Die Wissenschaftsbehörde mag diese Summe nicht bestätigen. Das von der Uni vorgelegte Nachqualifizierungskonzept müsse „in den Details noch ausgeformt werden“, sagt ein Sprecher. Im September werde man weitere Gespräche zu Umsetzungsszenarien führen. „An diesen Szenarien orientieren sich die Schätzungen zu den voraussichtlichen Kosten, die erst im Weiteren näher beziffert werden können.“ Auch Rupp geht davon aus, „dass die finanzielle Frage im Herbst geklärt wird. Welchen Anteil die Behörde und welchen die Uni tragen werde, sei noch unklar.

Das zuständige Dekanat der psychologischen Fakultät war in den letzten Tagen nicht erreichbar. 70 Studierende haben indes am Samstag erneut für die zügige Umsetzung demonstriert. Verantwortliche von Uni oder Behörde hätten sich nicht gezeigt, sagt Lena Schulte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen