piwik no script img

Die Arbeit bleibt heilig

In einer Podcast-Reihe diskutieren die Bremer DirektkandidatInnen zur Bundestagswahl über Arbeitszeit. Für mehr Flexibilität streiten viele, für eine Verkürzung die wenigsten

Von Jan Zier

Es ist nur auf den ersten Blick eine eher spezielle Frage, auf die die sechs Bremer BundestagskandidatInnen in diesem Podcast zur Bundestagswahl antworten sollen: „Wie halten Sie es mit der Arbeitszeit?“ Für Margareta Steinrücke ist das sogar „eine der zentralen Fragen der nächsten Legislaturperiode“. Sie ist die Sprecherin der Bremer Arbeitszeitinitiative (Bazi), einem 2005 gegründeten Bündnis, das von der Arbeitnehmerkammer, dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften aber auch den kirchlichen ArbeitnehmerInnen und dem Netzwerk Attac getragen wird.

Sie sei auf der Suche nach „guten Antworten“ auf die Herausforderungen durch Corona, die Digitalisierung und den Klimawandel, sagt die Initiative, aber es gehe ihr auch um Geschlechtergerechtigkeit oder den Gesundheitsschutz. Und es geht darum, „auf die verheerenden Folgen von Arbeitszeitverlängerung aufmerksam machen“, wie die Initiative auf ihrer Internetseite schreibt. Gemeinsame Forderungen hat das breite Bündnis nicht, deswegen gibt es zur Wahl auch nicht die bei vielen Lobby-Organisationen beliebten Wahlprüfsteine. Stattdessen wurden sechs Direkt­kandidatInnen von SPD, CDU, FDP, Grünen und der Linkspartei aus dem Land Bremen zur Debatte eingeladen. Jede Woche erscheint eine neue Folge.

Das Ergebnis ist mal mehr ein Interview, mal mehr ein echtes Gespräch, und mal wirft der eigene Umgang der Befragten mit ihrer Arbeitszeit ein Licht auf ihre politischen Positionen. Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen etwa hat zu Beginn ihres Berufslebens genauso wie ihr Mann – beide waren damals AssistenzärztInnen – 30 Stunden in der Woche gearbeitet, der Kinder wegen. Und während er gefragt worden sei, warum er „so wenig“ arbeite, musste sie sich fragen lassen, wieso sie „so viel“ arbeitete.

Heute sagt sie: „Zeitautonomie hat einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden.“ Also sollen alle selbst entscheiden können, wie viel sie arbeiten wollen – ein bisschen zumindest: Die Grünen fordern, dass ArbeitnehmerInnen festlegen dürfen, ob eine „Vollzeitstelle“ für sie 30 oder 40 Stunden pro Woche bedeutet. Wer mehr arbeitet, verdient in diesem Modell aber auch mehr. Nur in der Pflege soll es in Zukunft, wenn es nach den Grünen geht, eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich geben. Eine Vier-Tage-Woche mit 30 Stunden Arbeitszeit, wie sie Die Linke fordert, ist bei den Grünen nicht vorgesehen.

„Industriearbeit ist ein Klimakiller“

Margareta Steinrücke, Bremer Arbeitszeitinitiative

Thomas Röwekamp von der CDU ist strikt gegen diese Forderung der Linken. „Das können wir uns nicht leisten“, sagt er, und außerdem gebe es ja jetzt schon Fachkräftemangel. Er sehe „wenig Spielraum“ für eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung per Gesetz“, so Röwekamp. Gerade in der Automobilindustrie seien die Möglichkeiten da „eben eingeschränkt“. Der Betrieb müsse laufen – in drei Schichten.

Wie sein Kollege Uwe Schmidt von der SPD arbeitet Röwekamp nach eigenem Bekunden viel. Die Erziehung ihrer Kinder haben beide ihren Ehefrauen überlassen. Schmidt will zwar „klare Regeln“ für mobiles Arbeiten, das für Überstunden besonders anfällig ist, ist aber dagegen, dass grundsätzlich weniger geschuftet wird. „Eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit schließen wir aus“, sagt die SPD, da wo Gewerkschaften für die Absenkung von Arbeitszeit streiten, stehe die SPD aber „an ihrer Seite“, versichert das Wahlprogramm.

Dem Bazi-Bündnis reicht das nicht. Es streitet für Arbeitszeitverkürzung, um damit Jobs zu sichern und die Qualität der Arbeit, aber auch die Lebensqualität der Menschen zu verbessern – und zugleich das Klima zu schonen: Steinrücke verweist auf eine Studie, wonach die wöchentliche Arbeitszeit in Deutschland auf acht Stunden reduziert werden müsste, wollte man das 1,5 Grad-Klimaziel noch erreichen: „Industriearbeit ist ein Klimakiller.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen