„Wir haben unterschätzt, wie ernst man uns noch nimmt“

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) darf nun doch zur Bundestagswahl antreten. Der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele ist froh, dass das Bundesverfassungsgericht anders entschieden hat als der Bundeswahlausschuss

Andere Zeiten: Wahlkampf der DKP zur Bundestagswahl 1969 Foto: Klaus Rose/imago

Interview Pascal Beucker

taz: Herr Köbele, das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass die DKP doch „eine für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wahlvorschlagsberechtigte Partei“ ist. Sind Sie nun wieder versöhnt mit dem bundesdeutschen Rechtsstaat?

Patrik Köbele: Na gut, das ändert natürlich nichts daran, dass der bundesdeutsche Staat ein Klassenstaat ist. Aber die Justiz hat immer einen Doppelcharakter, nämlich einerseits Auswüchse zu verhindern, die vielleicht auch machtgefährdend sein können, andererseits hat sie immer auch ein Klasseninteresse zu verteidigen. Ich bin nicht versöhnt, aber ich bin froh über die Entscheidung.

Die jetzt kassierte Entscheidung des Bundeswahlausschusses, die DKP nicht mehr als Partei anzuerkennen, haben Sie mit den Verboten der KPD 1933 und 1956 verglichen. Sind das nicht ziemlich schräge Vergleiche?

Na ja, ich habe schon unterschieden. Der Unterschied ist selbstverständlich ganz dramatisch in der Form. Also es ging bei der Entscheidung des Bundeswahlausschusses sicherlich nicht darum, dass man uns mit Gefängnis, Folter oder Mord droht. Die Nichtzulassung zu einer Wahl ist selbstverständlich etwas ganz anderes, als wenn man uns mit der individuellen Existenzvernichtung droht. Doch auch wenn die Methoden zivilisierter sind, war das schon der Versuch, die Existenz der kommunistischen Partei zu beenden. Das reiht sich dann eben ein Stück weit in die traurige antikommunistische Tradition in Deutschland ein. Darauf wollte ich hinweisen.

Hätten Sie nicht den ganzen Ärger vermeiden können? Wieso hat die DKP nicht einfach ihre Rechenschaftsberichte in den vergangenen Jahren fristgerecht eingereicht?

Das liegt an unserer Struktur. Wir haben 80 buchhaltungspflichtige Gliederungen, und die müssen zusammengeführt werden mit einem ganz winzigen hauptamtlichen Apparat. Das ist fast nicht zu schaffen. Davon wollen wir aber nicht weg, weil wir uns nicht als eine Partei verstehen, wo die Zen­trale das Geld einkassiert und dann nach Gutdünken die Gliederungen vielleicht etwas abkriegen. Das hat für uns etwas mit Demokratie zu tun. Aber wir müssen jetzt sicherlich an unseren Strukturen arbeiten, um diese offene Flanke, die wir da haben, zu beseitigen. Das wird ein längerer Prozess, weil das möglicherweise auch statuarische Auswirkungen hat.

An der öffentlichen Sitzung des Bundeswahlausschusses am 8. Juli haben Sie trotz Ladung nicht teilgenommen. Haben Sie die Gefahr, nicht zugelassen zu werden, unterschätzt?

Das ist völlig richtig, damit haben wir nicht gerechnet. Wir hatten uns im Vorfeld immer wieder über mögliche Schwierigkeiten erkundigt, aber nichts vom Bundeswahlleiter oder der Bundestagsverwaltung gehört, was wir als beunruhigend hätten wahrnehmen können. Aus den Akten, die wir inzwischen einsehen konnten, geht hervor, dass sich der Bundeswahlleiter mit der Bundestagsverwaltung anscheinend über dieses Verfahren abgestimmt hat – ohne uns vorzuwarnen. Wir haben unterschätzt, wie ernst man uns offensichtlich doch noch nimmt.

Die maoistische MLPD und die trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei sind problemlos zur Bundestagswahl zugelassen worden. Was haben die besser gemacht als die DKP?

Das weiß ich nicht.

In den 1970er und 80er Jahren sorgte Ihre Partei immer mal für kleinere und größere Schlagzeilen. Im wiedervereinigten Deutschland ist die Aufmerksamkeit über die Aktivitäten der DKP dagegen drastisch geschrumpft. Was ist es für ein Gefühl, nach so langer Zeit nun plötzlich wieder so in der Öffentlichkeit zu stehen?

Erst einmal ein gutes. Auch Werbung, die aus einem negativen Anlass kommt, ist eine Werbung. Das nehmen wir gerne mit.

Die DKP wurde 1968 gegründet. In ihrer Hochphase hatte sie fast 50.000 Mitglieder. Wie viele sind es heute?

Foto: privat

Patrik Köbele, 59, ist seit 2013 Vorsitzender der DKP. Von 1989 bis 1994 war er Bundesvorsitzender der DKP-Jugendorganisation SDAJ. Von 2004 bis 2009 gehörte der in Weil am Rhein geborene IT-Berater dem Rat der Stadt Essen an.

Knapp 3.000.

Wird die DKP bei der Bundestagswahl flächendeckend antreten?

Uns fehlen ein paar Bundesländer. Wir haben elf Landeslisten eingereicht. In anderen Ländern haben wir zu schwache Strukturen.

Und mit welchem Abschneiden rechnen Sie nun?

Damit befassen wir uns eigentlich nicht so groß. Unser wahlpolitischer Platz ist jetzt sicherlich nicht riesig. Es geht uns darum, unsere Inhalte reinzutragen, das heißt: Raus aus der Nato, für Frieden mit Russland und der Volksrepublik China sowie gegen die Nutzung der Pandemie für sozialen Kahlschlag und Demokratieabbau. Das halten wir für relativ einzigartig im politischen Spektrum. Und natürlich kämpfen wir für unsere Stärkung.