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Obst ohne Warencharakter

Streuobst hat viele Vorzüge, bloß: Wie wird man es los?

Ja, der Rückgang der Obstbaum-Alleen im Osten seit 1990 ist eine vielbeschriebene und vielbeklagte Tatsache: Der Kapitalismus ist also schuld daran, dass die Streuobstwiese, die das Artensterben bremst und die Landschaft verschönert, beidseits der Elbe eine bedrohte kulturelle Errungenschaft ist.

Deshalb veranstaltet am kommenden Donnerstag, dem 29. Juli, das Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen wieder eine Streuobsttagung, diesmal auf einem Obsthof in Walsrode. Das ist wichtig, gerade weil Niedersachsen mal wieder so weit hinten ist. Nur 900 der bundesweit 300.000 Hektar Streuobstfläche liegen dort – das sind gerade mal drei Prozent. Aber die Tagung soll eben dazu beitragen, dass diese Fläche nicht noch weiter abschmilzt. Hauptthema ist deshalb: Wie verkauft man das?

Das ist wichtig. Denn, dass die Profilandwirtschaft die Vorzüge von Früchten nur zögerlich wertzuschätzen lernt, die nicht den „Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates für die Sektoren Obst und Gemüse“ genügen, liegt nicht daran, dass Bauern doof wären.

Es liegt auch nicht daran, dass die Vorzüge solcher nicht in Massenobsthaltung unter Antibiotika-Einsatz erzeugten Früchte so schwer einzusehen oder auch nur umstritten wären: Seit den 1990er-Jahren sind Streuobstwiesen in zahlreichen Studien als Hotspots der Biodiversität beschrieben worden –mit 5.000 Tier- und Pflanzenarten –, als lebende Erbgutresevoire, die gegen Baumseuchen helfen können etcetera. Das weiß längst jedes Landkind.

Bloß: Für Biodiversität kann sich kein Bauer was kaufen. Die Bäume, die dort wachsen, sind viel mühseliger abzuernten als in Plantagen klein gehaltene, und das Obst, das sie tragen, ist auch nicht gerade marktgängig, –jedenfalls nicht zu dem deutlich höheren Preis, den sein viel aufwändigerer Anbau erfordern würde. Wer aber vom Land-Bewirtschaften nicht als Selbstversorger leben will, ist darauf angewiesen, dass die Erträge der Flächen auch Gewinn einspielen.

Ganz leicht ist das nicht: Lösungsansätze könnten allenfalls in einer koordinierten Aroma-Offensive erblickt werden –denn Sortenvielfalt bereichert auch die geschmackliche Palette – und in der Edelversaftung oder dem Konfitüregeschäft. „Die Kosten für ihre Bewirtschaftung sind derzeit noch deutlich höher als die Einnahmen“, teilt aber selbst der Referent Matthias Bosse mit, der viel einschlägige Erfahrung und einen in dieser Hinsicht ziemlich breit aufgestellten Hof an den Hängen des Harzes betreibt. Auch wenn diverse Programme der Umwelthilfe und von Naturschutzverbänden Geld zuschießen: Mehr staatliche Subventionen wären an dieser Stelle wirklich angebracht.

Ansonsten bleibt noch, das entsprechende Brennrecht, vorausgesetzt die Herstellung edler Spirituosen. Vorteil: Ob man mit ihnen den Weltuntergang aufhält, oder ihn sich schön säuft, ist letzlich egal. Denn Schnaps ist bekanntlich Schnaps. Benno Schirrmeister

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