heute in bremen
: „Sie überzeugen mit eigener Stimme“

Foto: Rike Oehlerking

Jens Laloire, 43, ist Geschäftsführer des Bremer Literatur­kontors.

Interview Lisa Bullerdiek

taz: Herr Laloire, ist Bremen eine Literaturstadt?

Jens Laloire: Ja, doch. Bremen ist definitiv eine Literaturstadt. Bremen hat in der Breite vieles zu bieten und hat auch ein literaturinteressiertes Publikum. Es gibt eine junge, gemischte Szene. Bei den Kinderbuch- und Kri­mi­au­to­r*in­nen sind wir richtig gut aufgestellt. Natürlich fehlen auch Sachen. Wir haben nicht viele überregional bekannte Autor*innen. Uns fehlt außerdem ein zentrales Literaturhaus. In den letzten zwei Jahren ist aber viel passiert in die Richtung.

Was zum Beispiel?

Es sind viele Projekte entstanden und es gibt mehr Mittel. Ein zentrales Projekt ist das Online-Literatur-Magazin. Da kommen Bremer Au­to­r*in­nen zu Wort, aber auch Leute von außerhalb. Das Literaturkontor und das virtuelle Literaturhaus haben jetzt beide je eine volle Stelle und beide haben unterschiedliche neue Formate entwickelt, auch jeweils einen Podcast. Die Zusammenarbeit zwischen uns ist auch viel intensiver geworden. Und Bremen bewirbt sich als City of Literature.

Was hat es damit auf sich?

Das ist ein Unesco-Titel. Bremen bewirbt sich für 2023. Bis jetzt hatte in Deutschland sonst nur Heidelberg diesen Titel. Ich war am Anfang skeptisch, aber jetzt sehe ich, wie viel Veränderung allein die Bewerbung angestoßen hat.

Warum haben diese drei Autorinnen das Bremer Autorenstipendium erhalten?

Weil sie großartige, unterschiedliche Bewerbungen eingereicht haben. Jutta Reichelt hat einen autofiktionalen Essay eingereicht, in dem sie sich fragt: Erinnere ich mich richtig? Leyla Bektaş wurde mit dem Nachwuchsstipendium für ihr Romanprojekt ausgezeichnet. In dem erzählt sie eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, ein auch literarisch starkes Projekt. Und Ulrike Kuckero hat das Anerkennungsstipendium bekommen.

Was verbindet die Texte der drei Autorinnen?

Alle drei überzeugen mit der eigenen literarischen Stimme. Bei keiner denkt man, das erinnert mich an Soundso. Thematisch gesehen gibt es bei allen auch so etwas wie einen biografischen Bezug, obwohl es immer noch Fiktion ist. Ich hoffe, dass jeder der Texte irgendwann zwischen zwei Buchdeckeln landet.

Was trennt sie?

Lesung der Preisträgerinnen des Bremer Autorenstipendiums, 20 Uhr, Kukoon in den Wallanlagen

Einmal sind es drei unterschiedliche Generationen. Dann ist es auch interessant, dass alle aus unterschiedlichen Richtungen kommen: Ulrike Kuckero ist eigentlich Kinderbuchautorin, Jutta Reichelt nennt sich selbst Schreib- oder Geschichtenanstifterin und ist viel in Schreibprojekten unterwegs. Leyla Bektaş als die jüngste hat eine Migrationsgeschichte, kommt aus Achim und hat dann in Leipzig literarisches Schreiben studiert. Zum Glück ist sie wieder zurückgekommen. Oft verlieren wir junge Au­to­r*in­nen an größere Städte wie Berlin.

Wie läuft die Lesung ab?

Das ist eine Präsenzlesung, Open Air, beim Kukoon am Wall. Es gibt immer kurze Gespräche und Lesungen von 15 bis 20 Minuten. Eigentlich hätte die Lesung schon im Januar stattfinden sollen …

Warum haben sie die damals nicht online gemacht?

Es gab das starke Bedürfnis der Beteiligten, das in Präsenz zu machen. Was bei Online-Formaten wegfällt, sind die Gespräche zwischendurch. Und jeder Raum und Ort bringt eine andere Atmosphäre mit sich, so wie der Park.