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Der Sauerstoff wird knapp

In der Tideelbe hat sich das erste Sauerstoffloch des Jahres gebildet. Umweltverbände sehen das Ausbaggern des Schlicks im Hafen als zentrale Ursache

Von André Zuschlag

Das Sauerstoffloch ist wieder da: Seit elf Tagen schon ist in der Tideelbe flussabwärts des Hafens die Sauerstoffkonzentration im Wasser so gering, dass ein Fischsterben droht. Das zumindest befürchten die Umweltverbände Nabu, BUND, WWF und Rettet die Elbe. Sie halten dafür auch die Baggerarbeiten im Hafen verantwortlich, mit dem die Schiffsfahrrinnen vom Schlick befreit werden. „Ein Zusammenhang ist durch die Messstellen klar belegbar“, sagt Beatrice Claus vom WWF in Hamburg.

Das sogenannte Sauerstoffloch ist ein regelmäßig im Sommer auftretendes Phänomen. Noch vor zehn Jahren galt es in der Elbe zu dieser Zeit im Jahr als „ungewöhnlich früh“, so die Umweltbehörde seinerzeit. Für die Fische erträglich sind nach Angaben der Umweltverbände sechs Milligramm Sauerstoff pro Liter Wasser – fällt der Wert darunter, spricht man von einem Loch. Fatal ist für Fische, wenn es weniger als drei Milligramm sind.

Am 18. Juni sank die Sauerstoffkonzentration an der Messstation in Blankenese auf vier Milligramm. Seit dem 21. Juni liegt die Konzentration dort fast durchgehend unter drei. An der Messstation Seemannshöft, an der Einfahrt des Hamburger Hafens, lag sie gestern Mittag sogar bei nur 1,2 Milligramm pro Liter. „Fische, die nicht ausweichen können, sterben jetzt in den sauerstoffarmen Bereichen in der Elbe“, sagt Claus.

Und erste tote Fische habe es bereits gegeben: Lachse und ein toter Stör sind den Verbänden zufolge in den vergangenen Tagen gemeldet worden. Dabei werde gerade mit viel Arbeit versucht, die beiden genannten Fischarten wieder vermehrt anzusiedeln. Bedroht seien auch die im Bestand bedrohten Stinte und Finte.

Die Verbände vermuten, dass das nur die ersten Anzeichen sind. Sollte es zu einem massenhaften Fischsterben in den kommenden Tagen kommen, werde das aber nicht mit bloßem Auge zu sehen sein: „An einem Strom wie der Elbe wird der überwiegende Teil der toten Fische nie gesichtet.“

Dennoch gehen die Verbände davon aus, dass ihre Vermutung richtig ist. Denn das Loch ist deutlich größer als in den Jahren zuvor. Auch östlich des Hafens wurden bereits geringe Sauerstoffkonzentrationen gemessen. „Das heißt, dass das sauerstoffarme Wasser aus dem Hamburger Hafen aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Flut weit stromauf gelangt“, sagt Claus.

Als zentrale Ursachen sehen die Umweltverbände die Verklappung des Hafenschlicks: Der beim Baggern aufgewirbelte Schlick trübt das Wasser. Dadurch befindet sich mehr organisches Material, das zuvor am Boden lag, im Wasser, wo es wiederum Sauerstoff verbraucht, der den Fischen nun fehlt. Als akute Maßnahme fordern die Umweltverbände, vorerst auf die regelmäßigen sogenannten Unterhaltungsbaggerungen zu verzichten.

„Der Hafen gräbt sich seine eigene Grube, die er nicht mehr ausbaggern kann“

Beatrice Claus, WWF

Um den Hafen schiffbar zu halten, wird er schon jetzt jedes Jahr für knapp 100 Millionen Euro ausgebaggert. Das entwickelt sich finanziell immer mehr zum Problem, weil die Bagger mit ihrer Arbeit nicht hinterherkommen: Der Schlick verstopft den Hafen, eine freie Fahrt für alle Schiffe zu gewährleisten wird immer schwieriger. Voriges Jahr forderte, so berichtete es damals die Zeit, die Hafenbehörde HPA schon zusätzliche Verbringstellen in der Nordsee, um der Verschlickung Herr zu werden. „Der Hafen gräbt sich seine eigene Grube, die er nicht mehr ausbaggern kann“, sagt Claus.

Die gerade erst abgeschlossene Elbvertiefung, sagt Claus, habe das Problem nur verstärkt: Schon für die Vertiefung der Fahrrinne hatten Bagger und Sauger 21,7 Millionen Kubikmeter Steine, Sand und Schlick aus der Elbe geholt. Sauerstoff produzierende Algen fehle nun in der Tiefe Sonnenlicht. Ihr Aussterben lasse den Sauerstoffgehalt weiter sinken.

Dass auf Unterhaltungsbaggereien verzichtet wird, ist allerdings nicht realistisch. Die Umweltbehörde sieht vor allem die Niederschlagsmengen und Temperaturen der vergangenen Wochen als Ursachen: Es regnet kaum und ist zu warm. „Helfen würde jetzt Regen in den Regionen elbaufwärts“, sagt Jan Dube von der Umweltbehörde. Dadurch würde der Sauerstoffgehalt im Wasser wieder steigen. Ob es dazu allerdings kommt, ist angesichts der Wetterprognosen fraglich.

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