Korruption in der Türkei: Mafioso bringt AKP ins Wanken

Weitere Enthüllungen über höchste Regierungskreise zeigen Wirkung. Laut Umfragen wenden sich viele Wähler von Erdoğans Partei ab.

Mafia-Boss Sedat Peker, ein Mann im Anzug-hinter ihm Scheinwerferlicht, neben ihm Männer, die Regenschirme über ihn halten

Mafia-Boss Sedat Peker im Jahr 2014 Foto: Islam Yakut/picture alliance/AA

ISTANBUL taz | Was der Opposition in der Türkei bislang nicht gelang, vollbringt nun der flüchtige Mafia-Boss Sedat Peker. Mit Enthüllungen über kriminelle Machenschaften und Korruption rund um die Regierung bringt er einen erheblichen Teil der Wählerschaft von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen AK-Partei ins Grübeln. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Avrasya Polling, würden 20 Prozent der bisherigen AKP-Wähler mit Verweis auf Pekers Enthüllungen, der Partei künftig nicht mehr ihre Stimme geben.

Erreicht hat Peker das mit Videobotschaften aus seinem Exil in Dubai. Der Mann, der lange mit der AKP liiert war und nach eigener Aussage vor allem mit Innenminister Süleyman Soylu zusammengearbeitet hat, fühlt sich von Erdoğan und seiner Regierung verraten und wäscht seit Anfang Mai öffentlich schmutzige Wäsche. Jeden Sonntagmorgen geht er auf Sendung. Um 7.30 Uhr hatten sich am letzten Sonntag bereits 5 Millionen Menschen auf Youtube eingeklinkt. Innerhalb einer Stunde waren es doppelt so viele. Insgesamt mehr als 100 Millionen haben die bislang acht Videos von Peker gesehen.

Dabei ist der Mann als Krimineller bekannt. Trotzdem glauben ihm die meisten Zuschauer, wie die Avrasya-Umfrage ergab. Denn Pekers Vorwürfe bestätigen, wovon viele schon lange ausgehen. Es geht um Korruption und Bereicherung mit kriminellen Methoden. Das betrifft vor allem Kinder hochrangiger Parteimitglieder, die ihre Kontakte zur kriminellen Bereicherung nutzen sollen.

So hatte Peker behauptet, der Sohn des Ex-Ministerpräsidenten Binali Yıldırım sei führend am Drogenschmuggel aus Venezuela beteiligt. Deswegen sei er im Januar und Februar dieses Jahres zwei Mal in dem südamerikanischen Land gewesen. Sein Vater erklärte, sein Sohn sei zum fraglichen Zeitpunkt in Venezuela gewesen, aber um Schutzmasken und Testkits zu verteilen. Nachforschungen beim Zoll ergaben, dass in der Zeit weder Schutzmasken noch Testkits aus der Türkei ausgeführt worden waren.

Sprengmeister auf Sendung

In die Enge getrieben behauptete Binali Yıldırım, sein Sohn habe so viele Masken wie möglich im Koffer mitgenommen. Nicht mal eingefleischte AKP-Wähler nehmen ihm das noch ab. Dasselbe gilt für Pekers Behauptung über illegale Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien.

Weil sie die Vorwürfe nicht widerlegen können, gehen die Regierungspropagandisten in die Offensive. İsmail Kılıçarslan, einer der wichtigsten AKP-Journalisten, schrieb in der der Partei nahestehenden Yeni Şafak: „Selbst wenn die Türkei Waffen an al-Nusra geliefert hätte, wen störte das?“ Einen guten Muslim nicht, wollte er wohl sagen.

Doch laut Umfrage wenden sich auch immer mehr Muslime von der Regierung ab. „Peker ist dabei, den Palast (Erdoğans Regierung, Anm. d. Red.) von innen zu sprengen“, schrieb Celal Başlangıç, ein kaltgestellter Journalist in Artı Gerçek. Nächsten Sonntag geht der Sprengmeister wieder auf Sendung.

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