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Kleine Bühnen einer großen Wunderkammer

Der Bremer Künstler Oliver Zabel gestaltet in historischen Streichholzschachteln Geschichten, die nicht nur niedlich sind, sondern auch böse sein können

Vor einem leer gefegten Regal im Supermarkt streiten sich zwei Frauen um die letzte Packung Toilettenpapier. Was der Bremer Künstler Oliver Zabel da inszeniert, mag manchem aus der Pandemie durchaus bekannt vorkommen. Nur: Dieser Kampf spielt sich hier auf fünf Quadratzentimetern ab: in einer Streichholzschachtel.

Die kleinen Schachteln sind bei Zabel Bühnen für das pralle Leben – Wunderkammern im Maßstab 1:87. Mal zeigen sie einen Friseursalon, mal einen Mitropa-Speisewagen, dann einen Hochsitz. Sie folgen einer Stadtführung, blicken auf einen Strand oder ein Filmset.

Es sind historische Schachteln, die Oliver Zabel für seine Miniaturen nutzt, oft zwischen 50 und 100 Jahre alt. „Das waren damals kleine Kunstwerke, geschmückt mit Etiketten, die noch eine ganz andere Ästhetik hatten als heute“, schwärmt der Künstler und Kurator, der zur weltweiten Gemeinde der Phillumenisten gehört. Die Phillumenie bezeichnet das Sammeln von Streichholzschachteln und insbesondere deren Etiketten.

„Es gibt Schachteln aus Holz, mit Papier kaschiert, unendlich schön – das ist maschinell gar nicht herstellbar“, so Zabel. In erster Linie sind es die Etiketten, die ihn zu kleinen Szenen inspirieren. „Im Kopf entstehen Geschichten, für die ich Figuren suche und oft als Staffage von Modelleisenbahnen finde.“

Die Mini-Boxen werden mit Geduld und Geschick ausgestaltet: „Die Bühne für die Szene muss ja erst gebaut werden“, sagt Zabel. Also werden Wände hochgezogen, Bilder aufkaschiert und Tapeten geklebt, manchmal sogar Miniatur-Fliesen verlegt. Dass Requisiten wie Boule-Kugeln den Umfang von Stecknadelköpfen haben, macht deutlich, wie fisselig diese Arbeit sein kann. Einfach nur eine Pinzette zur Hand zu nehmen, um die Figuren mit Sekundenkleber zu fixieren, das reicht nicht. Denn allein der Puls wäre ein Hindernis für die Ruhe, die Zabel braucht, um alles so zu befestigen, dass es auch einen Klopftest besteht. Deshalb nutzt er eine Löthilfe, die die Figuren ohne Zittern da hält, wo sie stehen, liegen sollen. „Früher hätte ich nicht gedacht, dass ich die Geduld aufbringen kann, um so zu arbeiten. Ich wundere mich über mich selbst, kann da aber auch eintauchen und meine Ruhe finden.“

Zu all dem passt sein Atelier, auch nicht besonders groß, vielleicht 20 Quadratmeter. Ein geradezu verwunschener Ort voll mit Fundstücken wie Schrauben, Drähten, Federn, Mausefallen, Grafiken, Blättern aus Büchern. Alles Dinge, die Zabel zu seinen Collagen verarbeitet. So werden aus Alltags- oder Naturgegenständen Kunstwerke, die dann in Objektkästen präsentiert werden.

Wer nun denkt, dass die Szenen in Zabels Streichholzschachteln einfach nur niedlich sind, täuscht sich. Denn auf den zweiten Blick kommt Doppeldeutiges, manchmal Böses zutage – wie eben das Leben so spielt. Etwa, wenn Zabel neben den Köchen im Mitropa-Speisewagen ein Schild aufhängt mit dem Hinweis: „Bitte nicht füttern“. (epd)

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