: Bildung füllt Lücken
Mit einem neuen Maßnahmenkatalog sollen Bremer Kinder und Jugendliche in den Schulalltag zurückfinden – neben Feriennachhilfe gibt es Schwimm- und Fahrradkurse
Von Lisa Bullerdiek
Mit verschiedenen Maßnahmen will Bremen Kindern und Jugendlichen helfen, während der Pandemie versäumte Erfahrungen und Lerninhalte nachzuholen. Das hat die Bildungsdeputation der Bremischen Bürgerschaft am Mittwoch beschlossen. Das Angebot richtet sich vor allem an sozial benachteiligte Schüler*innen.
Konkret soll es in den Ferien zweiwöchige Kurse geben, sogenannte Lernferien, um in den Klassenstufen fünf bis neun verpassten Stoff nachzuholen. Ältere Kinder und Jugendliche der Klassen fünf bis zehn bekommen in den Ferien Nachhilfe von Studierenden. Während der Schulzeit sollen Lehrer*innen Lernförderkurse an Nachmittagen und Samstagen anbieten. Dafür will die Behörde Gelder und Personal bereitstellen.
Aber es geht nicht nur um Bildungsrückstände: Kinder können auch bei Schwimmkursen und Fahrradtrainings mitmachen. „Die Maßnahmen zielen nicht nur auf Lernen, sondern auch auf Empowerment“, sagte Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) in der Sitzung dazu. Während der Pandemie hätten die Kinder auch unter der Isolation gelitten, unter wenig Bewegung und Austausch.
Insgesamt werden die Maßnahmen knapp 950.000 Euro kosten, schätzt die Behörde, finanziert aus Mitteln des Bundes und des Landes Bremen. Das soll „die Pandemiefolgen mindestens abmildern und bestenfalls umkehren“, steht in der Beschlussvorlage.
Das Maßnahmenpaket mit dem Titel „Bremens Schüler:innen stärken – Maßnahmen zur Kompensation von Bildungsverlusten“ sei ein erster Schritt, um den Schüler*innen nach der unsteten Coronazeit zu helfen, sagte Bogedan in der Bildungsdeputation. Der Wechsel aus Präsenz- und Onlineunterricht sei für die Schüler*innen „nicht ohne Folgen geblieben“. Etwa ein Viertel von ihnen habe Lernrückstände wegen Corona und ein Drittel leide psychisch unter den Folgen der Pandemie, so ihre Mitarbeiterin Sabine Kurz in der Deputationssitzung.
Vertreter*innen der Regierungskoalition aus Linken, Grünen und SPD lobten den „ganzheitlichen Ansatz“ des Plans. „Neben den Lernzielen wurden auch Möglichkeiten zur sozialen Interaktion erreicht“, sagte Miriam Strunge von der Linken. Deshalb seien etwa die Schwimmkurse so wichtig. Corona sei wie ein Brennglas für soziale Ungerechtigkeit, sagte Christopher Hupe, auch deswegen müsse man schnell handeln.
Vertreter*innen der FDP und CDU stimmten den Maßnahmen ebenfalls zu, kritisierten allerdings ihren Zeitpunkt und Umfang. Für Yvonne Averwerser, bildungspolitische Sprecherin der CDU, ist das „zu wenig, zu spät“. Auch werde schlicht zu wenigen Kindern geholfen. Die Auswahl der Kinder funktioniert so: Lehrer*innen können Eltern zum Beispiel einen Ferienkurs vorschlagen, dem die Eltern dann, wenn sie möchten, zustimmen. An den Lernferien des Jahrgangs drei können zum Beispiel 750 Schulkinder aus Bremen und 150 aus Bremerhaven teilnehmen. Auch das stößt auf Kritik von der FDP und CDU. Außerdem bemängelt Averwerser, dass es bis jetzt keine richtigen Studien dazu gebe, wo welche Kinder welchen Schulstoff verpasst haben. „Es hilft nur, wenn man auch weiß, wo man das Pflaster auflegen muss.“
Kritik kam auch von Kai Steuck, dem Vertreter der Landesbehindertenbehörde. Kinder mit Behinderung seien durch die Maßnahmen noch nicht ausreichend adressiert worden. Er forderte, dass an dieser Stelle nachgesteuert wird.
Sibylle Wohlfeil vom Personalrat der Schulen in Bremen bemängelte die Mehrarbeit für Lehrer*innen durch die Nachhilfe, die sie am Wochenende und Nachmittagen anbieten können. „Unsere Kolleginnen sind dermaßen überlastet“, sagte Wohlfeil.
Die Senatorin hielt dagegen, dass bereits viel für die Schüler*innen getan worden sei – zum Beispiel, dass flächendeckend i-Pads angeschafft wurden und Präsenzunterricht besonders für jüngere Schüler*innen so oft wie möglich stattgefunden habe. Die Maßnahmen seien allerdings nur ein Anfang. „Das ist ein nächster Schritt, um Bildungsverluste aufzuholen“, sagte Bogedan in der Sitzung.
Christopher Hupe von den Grünen wies darauf hin, dass Schüler*innen nicht unterschätzt werden sollten. „So wichtig es ist, mit Maßnahmen zu reagieren, haben die Schüler*innen auch Stärken gewonnen. Sie haben gelernt, mit Krisen umzugehen und kreativ zu sein.“
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