Die Wahrheit: Piercen für die Unabhängigkeit

Ist Schottlands Hauptstadt Edinburgh in Wirklichkeit Jerusalem? Und was hat es mit Elaine Davidson auf sich, die mehr als 9.000 mal gepierct ist?

Am Donnerstag wählen die Schotten ein neues Regionalparlament. Eigentlich sind sie aber auf der ganzen Welt zu Hause, sie haben überall – zumindest bei Ortsnamen – ihre Spuren hinterlassen. In den USA wimmelt es nur so von Edinburghs und Glasgows. Aber auch in Australien und Südamerika, in Indien und Indonesien, in Afrika und in der Karibik gibt es Städte mit schottischen Namen. Und auf dem Mars heißen zwei Krater Ayr und Banff.

Schottland sei wunderbar und einzigartig, schrieb der Scotsman. „Seine majestätischen Berge und dramatischen Meeresansichten erfreuen das Herz und ziehen einen in ihren Bann“, meint das Blatt, verweist aber im nächsten Satz darauf, dass den schottischen Kindern jeden Morgen Zurückhaltung eingeimpft werde.

Das muss an manchen Journalisten des Scotsman spurlos vorübergegangen sein. Sie überschlagen sich geradezu an waghalsigen angeberischen Theorien. So sei Schottland in Wirklichkeit das versunkene Atlantis, behaupten sie. Der Historiker Comyn Beaumont habe im 19. Jahrhundert festgestellt, dass der Dauerregen zu Noahs Zeiten und die Flut, die Atlantis versenkte, ein und dasselbe Ereignis gewesen seien.

Vom Wetter her könnte es stimmen, der Dauerregen hat in Schottland nie aufgehört. Und im Nahen Osten habe es damals gar keine Flut gegeben. Als 584 vor unserer Zeitrechnung ein Stück Norwegens abbrach, löste das einen Tsunami aus, der Teile von Schottlands Ostküste versenkte. Das war Atlantis. Die Phönizier, die dort lebten, flohen nach Osten und endeten in Ägypten als Pharaonen.

Daraus folgt zwingend, dass Schottlands Hauptstadt Edinburgh in Wirklichkeit Jerusalem ist. Das kann man mit etwas Fantasie in der Bibel lesen: Der Ölberg ist Arthur’s Seat, und der Berg Zion ist der Hügel, auf dem die Burg von Edinburgh steht. Und der Catrail-Wall, ein 50 Meilen langer Graben, ist nicht von den Pikten gebaut worden, sondern von den Römern, um die Juden in Schottland festzuhalten.

Als die sich auflehnten, ließ Hadrian sie töten und ihre Stadt zerstören, sodass nichts mehr von ihr übrig blieb. Als Konstantin später aus politischen Gründen ein neues Jerusalem brauchte, ließ er es in Palästina bauen. Nein?

Aber eine Sache ist verbrieft: Elaine Davidson hat mehr Piercings als jeder andere Mensch auf der Welt. Die 50-jährige Krankenschwester aus Edinburgh ist schon 2006 mit 462 Piercings am Körper und 192 im Gesicht ins Guinnessbuch der Rekorde eingetragen worden. Seitdem sind einige hinzugekommen, inzwischen sind es mehr als 9.000, die meisten im Genitalbereich. Eigentlich hasse sie Piercings, sagt sie, aber sie wollte unbedingt den Weltrekord brechen.

Sie wäre die ideale Kandidatin für die schottischen Wahlen am kommenden Donnerstag. Denn wer wäre besser geeignet, um dem britischen Premierminister Boris Johnson die Erlaubnis für ein neues Unabhängigkeitsreferendum abzuringen, als die Bionic Woman?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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