Todesstrafen: Ägypten lässt kräftig hinrichten

Die Zahl der Hinrichtungen weltweit ist 2020 zurückgegangen – jedoch nicht im Land am Nil

Von Jannis Hagmann

Wenn es um die Todesstrafe geht, schneidet der Nahe Osten schlecht ab: Vier Länder – Iran, Irak, Saudi-Arabien und Ägypten – waren im vergangenen Jahr für 88 Prozent aller dokumentierten Hinrichtungen weltweit verantwortlich. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht von Amnesty International hervor. Allerdings fließen in die Berechnung nicht die Hinrichtungen in China ein, da unbekannt ist, wie viele Menschen das Land hat töten lassen; Schätzungen zufolge waren es mehrere Tausend.

Iran hat mindestens 246, Ägypten mindestens 107, Irak mindestens 45 und Saudi-Arabien mindestens 27 Menschen hingerichtet. Während die Zahl im Vergleich zum Vorjahr in Irak und Saudi-Arabien stark zurückgegangen ist, hat Ägypten mehr als dreimal so viele Menschen hingerichtet wie im Vorjahr. Bereits im Oktober hatte Human Rights Watch die Tötung von 49 Menschen innerhalb von zehn Tagen kritisiert. Die tatsächliche Gesamtzahl für 2020 liegt vermutlich noch höher als 107. Ägypten hat keine Statistik veröffentlicht.

Die Hinrichtungswelle in Ägypten hatte nach einem Vorfall im berüchtigten Tora-Gefängnis bei Kairo begonnen. Bei einem Ausbruchsversuch waren im September mehrere Polizisten und Häftlinge getötet worden. Unter den 2020 Getöteten sind viele Islamisten – auch solche, die 2013 bei einem Massenprotest in Kairo festgenommen worden waren. Sie hatten gegen die Absetzung von Ex-Präsident Mohammed Mursi protestiert. Unter Abdel Fattah al-Sisi, der seither an der Macht ist und rigoros gegen die Muslimbruderschaft vorgeht, ist die Zahl der Todesurteile stark gestiegen. Seit 2014 haben ägyptische Gerichte laut dem Arab Network for Human Rights rund 3.000 Menschen zum Tode verurteilt.

Weltweit ist die Zahl der dokumentierten Hinrichtungen 2020 um mehr als ein Viertel auf den niedrigsten Stand seit 2007 gesunken, wie aus dem Bericht hervorgeht. So wurde die Todesstrafe in 18 Ländern insgesamt mindestens 483-mal vollstreckt, 26 Prozent weniger als 2019. Die Zahl der Todesurteile sank um mehr als ein Drittel auf 1.477 in 54 Ländern.

In der Europäischen Union wurde kein Todesurteil vollstreckt. Belarus verhängte 2020 drei Todesstrafen. In den USA hat die Regierung Trumps nach 17 Jahren wieder begonnen, Hinrichtungen auf Bundesebene zu vollziehen. In sechs Monaten wurden zehn Menschen exekutiert. Die meisten Kriminalfälle in den USA werden vor Gerichten in den Bundesstaaten verhandelt.