Rosa Courage Preis für Carolin Emcke: Belohnung für eine Kämpferin

„Gay in May“ verleiht Carolin Emcke den „Rosa Courage“-Preis. Der Osnabrücker Verein veranstaltet das älteste LSBTIQ*-Kulturfestival in Deutschland.

Carolin Emcke spricht am Mikro

Carolin Emcke erhält den traditionsreichen Rosa Courage Preis aus Osnabrück Foto: Christoph Soeder/dpa

Carolin Emcke ist Preisverleihungen gewohnt. Wer ihre Ehrungen aufzählen will, braucht einen langen Atem: Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat die Berliner Autorin bekommen, den Otto-Brenner-Preis für Journalismus, letztes Jahr kam der Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik der Stadt Oldenburg dazu. Ein Dutzend Positionen lang ist die Liste, Verdienstorden inklusive.

Am 11. Mai steht die nächste Verleihung an: Im Osnabrücker Rathaus nimmt Emcke den „Rosa Courage“-Preis entgegen, vom Osnabrücker Verein „Gay in May“, für „ihren Einsatz und ihre Arbeit als Schriftstellerin für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen, Intersexuelle und queere Menschen“. Und weil Emcke kämpferisch ist, sagt sie über diesen „schönen Moment der Anerkennung“, dass er nicht darüber hinwegtäuschen darf, „dass es weiterhin Marginalisierung, Diskriminierung und Stigmatisierung gibt“.

Was Ausgrenzung bedeutet, weiß Emcke aus eigener Erfahrung. In ihrem Buch „Wie wir begehren“ beschreibt sie, wundervoll feinfühlig, ihr eigenes homosexuelles Coming of Age, bei aller Individualität zugleich sehr politisch, gesamtgesellschaftlich kontextualisiert. „Derzeit erleben wir einen Backlash“, sagt sie.

„Die Zahl der Übergriffe, der Gewalt gegen LSBTIQ* nimmt zu.“ Pause. „Oft musst du schon ziemlich aufpassen, mit wem du dich wo zu welcher Tageszeit zeigst.“ Emcke schreibt gegen diese Tendenz an, journalistisch und in Buchform, „auch gegen die Tabuisierung, die bei uns noch immer herrscht“. Eine Ursache dafür sieht sie in der gestrigkeitsverhafteten Politik der AfD.

Die Courage, die der Preis im Namen trägt, ist für sie Alltag. Und Emcke ist nicht nur streitbar, sie ist auch bescheiden. „Viele andere, die nicht weniger tun als ich, in Schulen, in Familien, in Gerichten, hätten den Preis ebenso verdient. Ich nehme an, ich bekomme ihn wegen meiner Sichtbarkeit – die zugleich die Sichtbarkeit von LSBTIQ*-Themen erhöht.“

Die promovierte Philosophin, früher lange Redakteurin beim Spiegel und Reporterin bei Die Zeit, mit Aufenthalten in Ländern von Afghanistan bis Kolumbien, ist in vielen Genres zu Hause: von der Theater-Performance bis zum Video-Clip. Sie lehrt und hält Vorträge, ist Kolumnistin bei der Süddeutschen Zeitung, moderiert den „Streitraum“ an der Berliner Schaubühne. „Rosa Courage“ ehrt sie für ihr Gesamtwerk.

Gewohnheiten infrage stellen

„Sie macht Diskriminierungen deutlich, stellt Gewohnheiten infrage und klärt Missstände auf!“, fasst Frank Mayer zusammen, 1. Vorsitzender von Gay in May. Emcke zeige strukturelle Fehlentwicklungen auf, perspektiviere auf Mechanismen wie Rassismus und Antisemitismus.

Der Preis,,Rosa Courage“, dessen Name sich aus,,Zivilcourage“ und,,Rosa Winkel“ ableitet, also auch auf ein Symbol verweist, das männliche KZ-Häftlinge wegen ihrer tatsächlichen oder angeblichen Homosexualität tragen mussten, wird seit 1992 vergeben, im Rahmen der „Kulturtage der Vielfalt“, wie Gay in May sich selbst bezeichnet.

1979 ins Leben gerufen und dieses Jahr zum 43. Mal veranstaltet, ist Gay in May das älteste LSBTIQ*-Kulturfestival Deutschlands. Aus Workshops und Lesungen setzt es sich zusammen, aus Songnights und Partys, aus Theater und Wanderungen – in Nicht-Coronazeiten.

Möglichst große Bandbreite

Unter den bisherigen Preisträgern, von Comic-Zeichner Ralf König bis zu Liedermacherin Carolina Brauckmann, fühlt Carolin Emcke sich wohl. „Wir wollen eine möglichst große Bandbreite abbilden“, erklärt Mayer. Politiker wie Klaus Wowereit sind daher unter den Geehrten, ehemals Regierender Bürgermeister von Berlin, Ikonen der Schwulenbewegung wie Rosa von Praunheim. Zuweilen werden auch Organisationen bedacht, 2014 etwa mit „Coming Out“ eine starke Stimme für LGBT in Russland.

Die Programmatik, zwischen Frauen und Männern zu wechseln, klappt nicht immer: 2018 bekam Elfi Scho-Antwerpes den Preis, im Jahr darauf Romy Haag, auch zwei Männer folgten schon mal aufeinander. „Manchmal liegt das inhaltlich aber einfach nahe“, sagt Mayer. Generell ist die Vielfalt eindrucksvoll. Und bald ist also auch Carolin Emcke dabei, die sich zu Recht eine „internationalistische Perspektive“ zuschreibt.

In welcher Form die Verleihung stattfindet, ist noch offen. „Wir möchten das natürlich gern analog machen“, sagt Mayer. Publikum gebe es aber nur per Stream.

In unserem Preis steckt viel Zukunft“, sagt Mayer. Das ist kein Sarkasmus, den Backlash meint er damit nicht, der „Rosa Courage“ doppelt wichtig macht. Mayer will Covid Positives abgewinnen, durch digitale Brückenschläge zu Partnerorganisationen, auch im Ausland. Das Festival, 2020 ausgebremst, nimmt wieder Fahrt auf.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.